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Dr. Eisenfaust ist k.o.

Weltmeister Vitali Klitschko beendet Box-Karriere

Los Angeles (dpa). Weltmeister Vitali Klitschko hat auf seinen geschundenen Körper gehört und die Box-Handschuhe an den Nagel gehängt.

Nachdem sich die im Training erlittene Knieverletzung, die ihn zur Absage des für Samstag in Las Vegas geplanten WM-Kampfes gegen Hasim Rahman (USA) gezwungen hatte, als Kreuzbandriss und Innenmeniskusschaden und damit wesentlich schwerer als zunächst befürchtet herausgestellt hatte, zog der 34-jährige Ukrainer den Schlussstrich unter seine eindrucksvolle Karriere.
»In letzter Zeit habe ich mich leider mehr mit meinen Verletzungen als mit meinen Kontrahenten im Ring auseinander setzen müssen. Die Entscheidung, mit dem Leistungssport aufzuhören, ist mir sehr schwer gefallen. Aber ich möchte meine Karriere auf dem Gipfel beenden und mit meinem Rücktritt nun den Weg freimachen für meine Nachfolger«, teilte der 2,02 Meter große Champion vom Krankenbett aus mit.
Als Klitschko am Dienstag im kalifornischen Inglewood von Neal Elattrache, dem Direktor der Sportmedizinischen Abteilung der Kerlan-Jobe-Klinik, in die Narkose versetzt wurde, ging er noch von einem leichteren Malheur aus, das sich relativ schnell beheben lassen werde. Doch als der als »Doktor Eisenfaust« bekannte Weltmeister aus der Narkose erwachte, wurde er mit der bitteren Wahrheit konfrontiert. Nach kurzer Beratung mit Familie, Trainer und Vertrauten fällte er die von ihm kurz zuvor noch für unmöglich gehaltene Entscheidung.
»Herr Dr. Klitschko muss etwa sechs Monate vom Leistungssport pausieren. Mit dieser schweren Verletzung hätte Herr Klitschko unmöglich boxen können, das Knie war absolut instabil«, sagte Operateur Elattrache. Nach einer Zwangspause von einem halben Jahr wäre nicht nur der WM-Titel weg gewesen, Klitschko hätte sich sogar erst um einen WM-Ausscheidungskampf bewerben müssen.
Sein in 20 Jahren Leistungssport arg strapazierter Körper wehrte sich immer häufiger gegen die gewaltigen Belastungen: Operation an Schulter (April 2000), Kreuzband im linken Knie (Juli 2001) und Bandscheibe (Juli 2002) sowie Muskelfaserriss und Rückenoperation (April/Juli 2005). Zu den Tiefpunkten zählt auch der nachgewiesene Anabolika-Missbrauch, der dem Sohn einer Lehrerin und eines Luftwaffen-Oberst den Weg zu Olympia 1996 versperrte. Für ihn sprang Bruder Wladimir ein und holte den Titel. Nun soll der jüngere Klitschko-Bruder auch als Profi in die Bresche springen und für die eigene Vermarktungsgesellschaft Millionen verdienen.
Der ehemalige WBO- und scheidende WBC-Weltmeister, der seine Profi-Karriere 1996 bei Universum begann und von 37 Kämpfen 35 gewann - 34 durch K.o.-, geht als großer Sympathieträger, aber nicht als herausragender Faustkämpfer in die Geschichte ein. Als ehemaliger Kick-Boxer - auch in diesem Metier brachte er es zum WM-Titel - war der ältere der Klitschko-Brüder ein eher hüftsteifer Boxer, der aber über eine gewaltige Schlagkraft sowie enorme Willensstärke verfügte. Mit diesen Fähigkeiten hatte er seinem technisch überlegenen Bruder Wladimir einiges voraus.
»In Zukunft möchte ich mich in der Ukraine verstärkt sozialen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen stellen«, so Klitschko.

Artikel vom 10.11.2005