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Korb Eier über gepflügtes Feld fahren

Bernhard Tubbesing hat sein Herz an die »Enten« verloren - Robuste Vehikel begeistern

Von Ulrich Hohenhoff (Text und Fotos)
Quelle (WB). Auf der Rückbank nehmen auch schon mal Schafe Platz, lassen sich mit der »Schaukelkutsche« gern zum Tierarzt oder auf die Weide transportieren. Für Bernhard Tubbesing (56) ist der »Deux Chevaux«, im Volksmund besser bekannt als Ente, das ideale Transportmittel. »Die Kiste ist robust und geländegängig«, sagt der Fan und Sammler der französischen Automarke.
Mit viel Liebe restauriert: das Cockpit des »2 CV« wirkt fast wie neu.

»Und meine Enten bekommen garantiert keine Vogelgrippe«, schmunzelt Tubbesing. Allerdings: »Geschlachtet« hat er eines der robusten Vehikel dennoch. »Das dient nun als Organspender für die anderen, denn Original-Ersatzteile sind verdammt schwer zu bekommen.« Prachtstück der kleinen Flotte aus den 80er Jahren ist eine weiß-graue Ente, »die ich tagtäglich in Gebrauch habe«. »Das gute Stück ist eines der letzten, das bei Citroën vom Band lief, stammt aus dem Jahr 1988.«
Die viertürige Limousine hat 120 000 Kilometer auf dem Buckel, ist mit 28 PS motorisiert und verbraucht weniger als drei Liter Normalbenzin. »Das Ding lässt sich unheimlich schnell verändern, verschiedenen Bedürfnissen anpassen. Türen und Heckklappe sind mit wenigen Handgriffen ausgehängt und das alles ohne Werkzeug«, lobt Bernhard Tubbesing »die genial einfache Technik«.
Dabei war der 56-Jährige zunächst nicht sonderlich begeistert von der Ente. Mitte der 70er Jahre bekam er einen »2 CV« von einem Freund, der in Berlin eine Entenwerkstatt betreibt, als Zweitwagen geschenkt. »Stark gewöhnungsbedürftig«, beschreibt er seine damaligen Eindrücke. Schnell aber gewann er die Ente »lieb und schloss sie in mein Herz«. Und als sein erster »Deux Chevaux« den Geist aufgab, stand für den Queller fest: »So ein Auto muss ich unbedingt wieder haben.«
Von da an begann die Sammelleidenschaft, auch weil Citroën das »Junge Leute«-Auto nicht mehr baute. »Alle Teile aus den vorhergehenden Jahren passen zusammen, die Dinger lassen sich ohne großen technischen Aufwand mit ein wenig Ahnung leicht selbst reparieren«, sagt der passionierte Autohandwerker. »Neumodische Autos mit viel kompliziertem Schnickschnack« haben für Bernhard Tubbesing keinen Reiz.
Auch »wenn die Karosserie der Ente rostanfällig ist und die Heizung im Winter sehr zu wünschen übrig lässt«, der gelernte Werkzeugmacher weiß immer zu improvisieren. »Da wird einfach ein Kunststoffrohr an das Gebläse angeschraubt, schon habe ich warme Füße.« Im praktischen Einsatz jedenfalls hat sich die Ente bewährt, zumal Bernhard Tubbesing »mitten im Grünen in einem unwegsamen Gelände« wohnt. »Die Geländegängigkeit ist einfach phänomenal.«
»Und wenn ich meine Kinder zur Schule bringe, wird unser Auto entweder bestaunt oder belächelt.« Seine Leidenschaft für das urige Gefährt teilt Bernhard Tubbesing mit vielen Gleichgesinnten. In Deutschland gibt es etliche auf die Schaukelkutsche spezialisierte Händler, Ersatzteile »werden unter Freunden gehandelt«. Und auch regelmäßige Ententreffen gibt es. »Ich bin sogar schon mit dem Blechvogel in Schottland gewesen, und auch in der Nähe gibt es eingeschworene Fans.« Einer von denen ist Norbert Steinker (46), der einen »2 CV«, Baujahr 1983, zu einem Lastwagen umgebaut hat. »Damit kann ich auch sperrige Sachen problemlos transportieren.«
Die beiden Freunde sind Mitglieder im Club »Bielefelder Wildenten«. Der hält das Andenken an das legendäre Gefährt hoch, sorgt für eine Ideentauschbörse und organisiert für die »2 CV«-Enthusiasten regelmäßige Treffen. Zwischen 1948 und 1990 wurden 3 872 583 Enten und 1 246 306 Kastenenten produziert.
Entwickelt wurde das Auto bereits in den 30er Jahren von dem Designer Flaminio Bertoni und dem Konstrukteur Andrè Lefèbvre. Das ursprüngliche Motto lautete »Vier Räder unter einem Regenschirm«. Die Konstrukteure sollten einen »günstigen, fahrbaren Untersatz schaffen, der zwei Bauern und 100 Kilogramm Ware mit 60 Stundenkilometern zum Markt bringen kann, notfalls in Holzschuhen und über unbefestigte Wege. Es sollte möglich sein, einen Korb Eier mit einem kleinen Auto unbeschadet über einen gepflügten Acker zu fahren.«
Und das schaffen die Enten auch heute noch . . .

Artikel vom 09.11.2005