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Ehemann kann
Widersprüche
nicht aufklären

Alexander F. bricht sein Schweigen

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Mordprozess ohne Leiche: Am vierten Verhandlungstag hat der Vorsitzende Richter Michael Reineke gestern keinen Zweifel mehr daran gelassen, dass Alexander F. (28) verurteilt wird - voraussichtlich allerdings nicht wegen Mordes, sondern wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Reineke kritisierte zudem den Verteidiger des Angeklagten.

Alexander F. steht seit Ende Oktober in Detmold vor Gericht. Seine schwangere Frau Bianca (22) war im Juni 2000 wenige Tage nach der Hochzeit verschwunden. Der Ehemann gab an, sie habe ihn im Streit verlassen. Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink geht jedoch davon aus, dass Alexander F. seine Frau bei einer Auseinandersetzung getötet und die Leiche beseitigt hat.
Der Vorsitzende Richter hatte gestern dem Angeklagten, der bis dahin geschwiegen hatte, seine Lage eindringlich klargemacht: »Wir können auch ohne Leiche ein Urteil sprechen, denn es gibt eine beeindruckende Indizienkette!« Es sei schrecklich für Biancas Mutter, nicht zu wissen wo ihre Tochter sei und sie nicht beerdigen zu können. »Sie haben es in der Hand, einen Schlussstrich zu ziehen und endlich die Wahrheit zu sagen!«
Nach Rücksprache mit seinem Anwalt entschied sich Alexander F., sein Schweigen aufzugeben - ohne jedoch ein Geständnis abzulegen, und auch die Widersprüche, die ihm vorgehalten wurden, konnte er nicht aufklären. So hatte er bei der Polizei angegeben, seine Frau zuletzt gegen 22 Uhr im Wohnzimmer bemerkt zu haben, in einer anderen Aussage heißt es, er habe sie noch um 3 Uhr morgens im Bett gesehen. Alexander F. gestern achselzuckend: »Das sind doch unwichtige Details. . .«
In seiner Vernehmung erklärte er gestern, Bianca habe ihn nach einem rein verbalen Streit verlassen. Zwei Zeugen hatten jedoch ausgesagt, er habe ihnen damals erzählt, ihm sei die Hand ausgerutscht. »Die haben die Unwahrheit gesagt«, sagte Alexander F. lakonisch. Er habe Bianca geliebt, auch wenn sie schlechte Seiten gehabt habe: »Die wurde wegen jeder Belanglosigkeit hysterisch.« Handgreiflich sei er aber nur bei zwei Gelegenheiten geworden.
Auf die Frage von Oberstaatsanwalt Höbrink, ob es ihm nicht seltsam vorgekommen sei, dass seine Frau die Wohnung angeblich ohne Hund, Papiere, Geld, EC-Karte, Mutterpass und zusätzliche Kleidung verlassen habe, sagte der Angeklagte, er habe sich eben keine Gedanken gemacht. Dass er sie erst nach sechs Wochen vermisst gemeldet und nicht bei Verwandten und Freunden nach ihr gefragt hatte, erklärte der Angeklagte damit, dass er »sauer« auf seine Frau gewesen sei.
Der Vorsitzende Richter riet Alexander F. zum Abschluss der gestrigen Verhandlung, sich in den zwei Wochen bis zum nächsten und voraussichtlich letzten Prozesstag mit seinem Anwalt zu beraten. »Märchen helfen Ihnen nämlich nicht weiter!« Reineke kritisierte zudem Strafverteidiger Andreas Steffen, der vor Prozessbeginn erklärt hatte, das Verfahren sei eine riesige Steuergeldverschwendung. »Hier geht es nicht um irgendeine Belanglosigkeit, sondern darum, das Schicksal einer vermissten jungen Frau aufzuklären!«, sagte der Vorsitzende Richter. Es sei völlig fehl am Platze, dieses Bemühen als Geldverschwendung zu diskreditieren.
Biancas Mutter Angela R. meinte nach dem vierten Verhandlungstag: »Es macht mich verrückt, dass Alex nicht endlich die Wahrheit sagt!«

Artikel vom 09.11.2005