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Keine Chance auf Germanistik mit 2,5

Universität muss der Studentenmassen Herr werden

Bielefeld (sas). Mit einem Abidurchschnitt von 2,5 hatten Studieninteressierte in diesem Wintersemester keine Chance, an der Universität Bielefeld Germanistik zu studieren. Wer allerdings bereits ein Semester Wartezeit hinter sich hatte, war noch mit einem Notenschnitt von 2,9 dabei. Denn Germanistik ist eines der Fächer, die mit einem Numerus Clausus, kurz NC, belegt sind.

Die Fülle bei den Germanisten nahm ihren Anfang mit der Umstellung auf den »Bachelor«. 500 Studienanfänger, so Dr. Andrea Frank vom Referat Lehrplanung, wählten dieses Fach. »Hintergrund ist, dass alle Grund-, Haupt- und Realschullehrer entweder Mathematik oder Deutsch studieren und unterrichten müssen.« Die Fakultät beschränkte die Zahl der Studienanfänger daher auf 300 - und löste damit eine Hinwendung zur Mathematik aus.
Für ein insgesamt volles Haus sorgt aber auch, dass die Zahl der Studienanfänger seit einigen Jahren hoch ist - sie lag in Bielefeld im Wintersemester erneut über 2600 - und dass die striktere Studienordnung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge eine Anwesenheitspflicht sowie deutlich mehr begleitende Prüfungen verlangen: Wer früher daheim lernte, muss heute den Weg in die Uni finden.
Zu den stark nachgefragten Fächern gehört auch die Pädagogik. Die Zulassung wird über die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze geregelt, der NC lag in diesem Wintersemester für den Standort Bielefeld bei 2,7, bei zwei Wartesemestern allerdings durfte der Abischnitt auch 3,3 betragen. Erstmals mit NC belegt sind auch Soziologie und Sozialwissenschaften, die im vergangenen Jahr einen Run erlebten. Dem Auswahlverfahren mochten sich viele Studieninteressierte aber offenbar nicht stellen: In diesem Winter ist die Kapazität nicht ausgeschöpft. Dafür aber scheint der NC zu ausweichenden Wanderbewegungen zu den Historikern geführt zu haben: Die Geschichtsfakultät wird im nächsten Semester einen NC beantragen.
Flächendeckend »bewirtschaftet« wird auch die Biologie; bei den Rechtswissenschaften gibt es für das Staatsexamen eine Zulassungsbeschränkung, während ein Studium mit dem Ziel des Bachelor-Abschlusses möglich ist. In der Chemie ist nur die Biochemie überlaufen, an der Technischen Fakultät sind es die Studiengänge Biotechnologie und Bioinformatik, die Beschränkungen unterworfen sind. Ganz ohne NC sind noch Mathematik und Physik sowie Linguistik (außer Klinische Linguistik) und Literaturwissenschaft, während in der Anglistik ein Eingangstest verlangt wird. »Gerade die Naturwissenschaften sind eben selten ein Verlegenheitsstudium«, erklärt Frank Spiekermann, Abteilungsleiter für Controlling im Referat Planung und Statistik.
Er erwartet, dass Schüler mit schwachem Abitur von den Auswahlverfahren abgeschreckt werden, dass in der Folge die Abschlüsse besser werden und die Erfolgsquote an den einzelnen Fakultäten steigt; denn nach Aussage von Psychologen seien Abiturnoten nach wie vor das beste Kriterium, Aussagen über den Studienerfolg treffen zu können. »Selbst wenn das nicht pauschal und immer gilt, gibt es schlicht diesen Zusammenhang.« Gleichwohl betont Spiekermann ausdrücklich, dass die Einführung von Zulassungsbeschränkungen nicht Ergebnis einer bewussten Selektionspolitik der Universität sei: »Aber die Massen müssen bewältigt werden, das ist reiner Selbstschutz.«

Artikel vom 11.11.2005