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Tödliche Keime in Kliniken

Resistente Erreger kosten jährlich bis zu 50 000 Patienten das Leben

Von Wolfgang Schäffer
Bielefeld/Berlin (WB). Das Schreckgespenst heißt MRSA. Krankheitserreger dieser Art sollen nach vorsichtigen Schätzungen für 50 000 Todesfälle in deutschen Kliniken verantwortlich sein.

Professor Dr. Wolfgang Elies (63), Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung in den Städtischen Kliniken Bielefeld Mitte, spricht von einem »gewaltigen Anstieg der Zahlen«. Seit 1990 sei die MRSA-Rate von 1,7 auf mehr als 20 Prozent geklettert. Die Krankheitserreger mit der offiziellen Bezeichnung Methicillin-resistente Staphyloccus aureus seien nur mit zwei unterschiedlichen Antibiotika zu bekämpfen, sagt der Mediziner, der sich seit fast 40 Jahren intensiv mit Infektionen beschäftigt und den Vorsitz in einer entsprechenden Arbeitsgemeinschaft des Paul-Ehrlich-Instituts innehat.
Besonders häufig tragen nach den Worten Elies ältere Menschen den Erreger in sich. Warum? »Da bewegen wir uns im Bereich der Spekulation. Mit dem Alter verändere sich häufig auch das Hygieneverhalten. Da könnte einer der Gründe liegen«, deutet Elies vorsichtig an. Sicher ist, dass sich die Erreger auf Schleimhäuten in Körperhöhlen wie beispielsweise dem Nasenvorhof oder dem Nasen-Rachen-Raum ansiedeln. Ganz wichtig sei deshalb, die Nasen älterer Menschen in Kliniken aber auch in Alten- und Pflegeheimen regelmäßig zu säubern und mit entsprechenden Mitteln zu desinfizieren. So wäre bei einer plötzlichen Einlieferung in die Klinik ein möglicher Übertragungsherd bereits ausgeschlossen. Zudem müssten sich auch in den Krankenhäusern alle an die Vorschriften halten. Elies: »Das einzige, was wirklich gegen die vielen MRSA-Fälle hilft, ist Hygiene, Hygiene und noch einmal Hygiene.« Dazu sei es aber auch notwendig, »Geld in die Hand zu nehmen«, um die Voraussetzung in Kliniken zu verbessern.
So gibt es beispielsweise neue Desinfektionsmittel auf Basis der Nano-Technologie, die keimfreie Oberflächen für mehr als eine Woche statt wie bisher nur für Stunden garantieren. Auch medizinische Instrumente aus Kunststoff oder Silikon könnten mit einer Schutzschicht überzogen werden, damit sie die Keime nicht mehr »wie ein Schwamm« aufnähmen. Maßnahmen dieser Art würde aber oft an finanziellen Überlegungen scheitern.
Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, sieht das Kostenthema als »katastrophalen Ansatz« in der MRSA-Diskussion. »Das zeugt von Unverständnis und Ignoranz. Hygiene und Desinfektion müssen in der Klinik über allem stehen.« Dazu gehöre aber auch schon die einfache und vor allem preiswerte Desinfektion der Hände. Wer sich daran nicht halte, handele grob nachlässig.
Schon vor Jahren hat das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin detaillierte Empfehlungen zur Vorbeugung und Kontrolle von MRSA-Stämmen herausgegeben. »Würde in allen Kliniken nach diesem Maßnahmenkatalog gehandelt, hätten die multiresistenen Krankheitserreger bald keine Chance mehr«, erklärt Zastrow und verweist auf die Niederlande. Dort haben die Krankenhäuser das Problem auf diese Weise in den Griff bekommen.«

Artikel vom 09.11.2005