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Koalitionäre auf der Suche nach fehlenden Milliarden

Sparpaket in Höhe von 15 Milliarden Euro soll noch aufgestockt werden

Berlin (dpa/Reuters). Auf der Zielgeraden ihrer Koalitionsverhandlungen streiten Union und SPD über Wege aus der Finanzkrise und Reformen am Arbeitsmarkt.

Die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab harten Sparanstrengungen Vorrang vor Steuererhöhungen. Sie erklärte gestern in Berlin: »Erst dann kann man überhaupt über Einnahmeverbesserungen sprechen.« Die Debatte über eine so genannte Reichensteuer und eine Mehrwertsteuererhöhung hielt dennoch an. Die Union warf der SPD erneut vor, sich bei Änderungen am Arbeitsrecht nicht flexibel genug zu zeigen.
In einem Punkt zeigten Union und SPD bereits vor den entscheidenden Gesprächen Handlungswillen. Noch diese Woche sollen reine Steuersparmodelle wie Medien- oder Windkraftfonds abgeschafft werden. Die Abzugsfähigkeit von Verlusten wäre dann nicht mehr möglich. SPD und Union erhoffen sich Mehreinnahmen bis zu zwei Milliarden Euro.
Das Sparpaket in Höhe von 15 Milliarden Euro, das Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorgelegt haben, wird in der Union offenbar als zu gering betrachtet. In Arbeitsgruppen soll nach weiteren Einsparungen gesucht werden. Bis zum Jahr 2007 muss eine Lücke von 35 Milliarden Euro im Bundeshaushalt gestopft werden.
Wie der Maßnahmenmix aussieht, ist offen. Diskutiert wird derzeit, dass in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung die »Ausgabeneskalation« begrenzt und so der Bund entlastet wird. Hier soll es um sechs bis acht Milliarden gehen. Wegfallen könnte die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern. Möglich ist auch eine höhere Pflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Durch Korrekturen bei der Hartz-IV-Reform sollen 1,8 Milliarden gespart werden. Erwogen wird, Regelungen für selbstständige Unterkünfte von jugendlichen Leistungsbeziehern zu verschärfen und Missbrauch einzuschränken.
Die Steuerbasis - die Bemessungsgrundlage - soll durch Abschaffung von Ausnahmen erweitert werden. Im Gespräch ist nicht nur der Wegfall der Eigenheimzulage, möglich sind auch Kürzungen des Sparerfreibetrages oder weitere Einschränkungen bei der Absetzbarkeit von Arbeitszimmern. Die Pendlerpauschale könnte bis zu einer Entfernung von 20 oder 25 Kilometer ganz wegfallen,
In der Frage der Mehrwertsteuer hält die Union jetzt eine Erhöhung von 16 auf 19 Prozent für wahrscheinlich. Die »Reichensteuer« wird in der Union offenbar nicht mehr als absolutes Tabu angesehen. Koch sagte aber, sie sei weiter umstritten.
Die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre soll nach den Plänen von Union und SPD erst 2012 beginnen.
Die Ankündigung von CDU-Generalsekretär Volker Kauder vom Montag, die Anhebung werde im Jahr 2010 beginnen und 2030 die Endstufe erreichen, wurde gestern von der Union in Berlin korrigiert. »Das war ein Versprecher«, hieß es. Korrekt sei vielmehr, dass der Einstieg in die Rente mit 67 im Jahr 2012 beginnen, das Ziel dann erst im Jahr 2035 erreicht werden soll.

Artikel vom 09.11.2005