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Lehmann redet vom Rücktritt

Paukenschlag in Paris: Torwart will nicht wieder zweite WM-Wahl sein

Paris (dpa). Der Angriff kam aus dem Tor: Ausgerechnet vor seiner vielleicht letzten Bewährungsprobe im emotionsgeladenen Duell mit Oliver Kahn hat Jens Lehmann mit Rücktrittsgedanken aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für einen Paukenschlag gesorgt.

Vor seinem 28. Länderspiel am Samstag (21.00 Uhr/ZDF) im Stade de France gegen Frankreich überraschte der Keeper des FC Arsenal London bei der DFB- Pressekonferenz in Paris mit der Ankündigung, dass er nicht noch einmal die Reservistenrolle bei der Heim-WM im kommenden Jahr einnehmen würde.
»Vom Gefühl her kann ich sagen, dass es mir sehr, sehr schwer fallen würde, mich noch einmal auf die Bank zu setzen«, erklärte Lehmann. Seit der WM 1998 war der Keeper bei allen vier großen Turnieren zwar immer im Kader, aber er stand nie im Tor. »Vor diesem Hintergrund der letzten Jahre« sei daher seine momentane Einschätzung zu sehen. »Es ist ein Gefühl, das ich jetzt habe. Ich weiß nicht, was im Frühjahr ist.«
Damit steht auch Jürgen Klinsmann vor einer neuen Situation. Keine fünf Minuten zuvor hatte der Bundestrainer nach dem Umzug von Köln nach Paris auf demselben Stuhl im Saal »Concorde« des Journalisten-Hotels gesessen und das glatte Gegenteil als Erwartung an den Verlierer des Torwart-Duells formuliert. »Ich gehe nicht davon aus, dass irgendjemand in irgendeiner Form Konsequenzen ziehen wird. Ich gehe davon aus, dass bei der Entscheidung vor der WM der, der die Nummer zwei wird, das akzeptiert«, sagte Klinsmann.
Zuletzt hatte er allerdings immer stärker betont, dass der in Frankreich pausierende Kahn im Kampf um die Nummer 1 unverändert die Führungsposition innehat. Mit dem Frankreich-Spiel endet zunächst die von Klinsmann vorgegebene Rotation im Tor. Über die Einsätze in den letzten zwei Testspielen vor der WM-Nominierung im kommenden März in Italien und gegen die USA hat er noch nicht entschieden.
Klinsmanns positive Aussagen zu Kahn sind auch Lehmann, der am 18. Februar 1998 in Maskat gegen Oman (2:0) im Nationalteam debütiert hatte, nicht entgangen. In fast acht Jahren ist es ihm unter den DFB-Cheftrainern Berti Vogts, Erich Ribbeck, Rudi Völler und bislang auch Klinsmann nicht gelungen, die Nummer 1 zu werden. Noch hofft er aber darauf, dass er Kahn in der Gunst des Bundestrainers überflügeln kann und Paris nicht schon zum Abschiedsspiel für ihn wird. »Man muss jedem Trainer der Welt unterstellen, dass er nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet«, sagte er an die Adresse des Bundestrainers.
Der hatte zuvor den Jahresabschluss mit dem Klassiker gegen die Franzosen als »wichtigen Gradmesser vor der langen Länderspielpause« eingestuft. Auch der Umstand, dass die DFB-Auswahl seit mehr als fünf Jahren in 15 Anläufen nicht mehr gegen eine große Fußball-Nation gewonnen hat, beunruhigte Klinsmann nicht: »Der Tag wird kommen. Sollte es hier nicht gelingen, einen Großen zu schlagen, dann spätestens bei der Weltmeisterschaft.«
Allen im deutschen Lager ist bewusst, dass unabhängig vom Resultat vor der langen Winterpause ein guter Jahresabschluss nötig ist. »Ich erwarte, dass wir den Leuten in Deutschland ein wenig mehr Spaß vermitteln, als wir es in den letzten Spielen getan haben«, sagte Lehmann. Die Mannschaft müsse wieder an die leidenschaftlichen Spiele vom Confederations Cup anknüpfen, forderte der Keeper: »Da hat man Fehler verziehen, weil erfrischend gespielt wurde. Die Fans wollen keine Langeweile. Sie wollen nicht, dass man ein Spiel hinwurstelt.«
Engagement, Aggressivität und große Laufbereitschaft - diese urdeutschen Tugenden erwartet Klinsmann von seiner Elf, die trotz der Formkrise von Lukas Podolski mit dem nominell ersten Sturm auflaufen wird. »Er wird mit Miroslav Klose beginnen«, legte sich Klinsmann fest: »Wir sind davon überzeugt, dass seine Entwicklung nach oben geht.«
Sport-Seite 2Ein Blick zurück: Lektionen und zwei weltmeisterliche Sternstunden

Artikel vom 12.11.2005