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Land fehlt das Geld
für mehr Kontrollen

Tagung über Sicherheit von Lebensmitteln in Lemgo

Von Dietmar Kemper
Lemgo (WB). Trotz des Hackfleischskandals in Supermärkten, gammeligem Putenfleisch aus Niedersachsen und der Angst vor Vogelgrippe wird Nordrhein-Westfalen die Lebensmittelkontrollen nicht ausweiten.

»Wir haben nicht das Geld«, sagte der zuständige Minister Eckhard Uhlenberg (CDU) gestern in Lemgo. Angesichts der drückenden Schuldenlast von 109 Milliarden Euro sei es »nicht möglich, zusätzliches Personal bei der Überwachung einzustellen«, bekannte Uhlenberg in seinem Vortrag zur »Perspektive des Verbraucherschutzes« in der Fachhochschule Lippe.
Dort diskutierten die Mitglieder des »Arbeitskreises Fleisch und Feinkost« Risikoanalysen für Lebensmittel und die Übertragung von Viren durch Nahrung. Organisiert wurde die Fachtagung vom Fachbereich »Life Science Technologies«, dem großten seiner Art in Deutschland. Wissenschaftler in Lemgo, Detmold und Höxter beschäftigen sich mit Sicherheit von und Stoffen in Lebensmitteln.
Von Geflügelfleisch und Eiern gehe »keine Gefahr« aus, sagte Uhlenberg: »Der Vogelgrippe-Virus kann nur über Atmungsorgane aufgenommen werden.« Uhlenberg empfahl Geflügel vor dem Verzehr zu erhitzen, weil so mögliche Krankheitskeime abgetötet würden. Der Minister bekannte sich zur »Notwendigkeit amtlicher überwachung«, betonte aber gleichzeitig: »Nicht der Staat, sondern die Hersteller haben die Sicherheit der Lebensmittel zu gewährleisten.« Kontrollen seitens der Behörden könnten kriminelle Energie nicht verhindern.
Künftig würden die Stichproben stärker »risikoorientiert« vorgenommen. Zu den größten Gefahren zählen Salmonellen. Deshalb hätten sich auch die Agrarminister der EU darauf verständigt, die Schweine-Salmonellenverordnung zu forcieren, berichtete Uhlenberg. Sorge bereitet dem Minister die mangelhafte Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Bei bis zu 80 Prozent der überprüften Verpackungen habe der Hinweis gefehlt.
Beim Nachweis von Viren in Lebensmitteln bestehe »Handlungsbedarf«, sagte Professorin Barbara Becker vom Laboratorium Mikrobiologie der FH Lippe. Obwohl etwa jede vierte Virus-Erkrankung durch Lebensmittel ausgelöst werde, fehlten »sichere Nachweisverfahren«. Essen und Trinkwasser könnten unter anderem Hepatitis A und E sowie den Norovirus übertragen, der Durchfälle und Erbrechen auslöst.
Mit stickstoffhaltigen Substanzen wie Schwartenpulver und Gelatine verfälschten Hersteller zunehmend den ursprünglichen Geschmack von Kochschinken, beklagte Sigrid Littmann-Nienstedt vom Chemischen Untersuchungsamt Hamm. Dadurch werde ein höherer Eiweißgehalt vorgetäuscht und die überhöhte Zugabe von Trinkwasser kaschiert. Littmann-Nienstedt: »Viele Verbraucher wissen gar nicht mehr, wie unverfälschte Produkte tatsächlich schmecken.«

Artikel vom 08.11.2005