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Kopf in den Sand stecken gilt nicht

Starres Festhalten am System ist laut Lehrerverband nicht durchzuhalten

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). Der wachsende Trend zum Gymnasium, gepaart mit Schülerrückgang, bringt vor allem Hauptschulen in Existenznot.

»Wenn nichts passiert, wird in den kommenden Jahren eine nicht unbeträchtliche Zahl von weiterführenden Schulen geschlossen«: Udo Beckmann, Landeschef im Verband Bildung und Erziehung (VBE NRW) ließ gestern bei der Vorstellung eines Gutachtens zur Bestandsgefährdung vieler NRW-Schulen keinen Zweifel am bösen Ende.
Die rückläufigen Schülerzahlen sind der eine Grund für die Bedrohung von Schulstandorten. Einen weiteren berücksichtigt ein so genannter dynamischer Faktor - den sich selbst verstärkenden Trend zum Gymnasium. Außerdem versuchen die Statistiker die lokal jeweils unterschiedlichen Rückkehrerströme von Realschule und Gymnasium zur Hauptschule zu erfassen.
Die Schulforscher Michael Kanders und Ernst Rösner von der Universität Dortmund unterstellen, dass bei sinkenden Schülerzahlen schwache Schüler an Gymnasien länger gehalten werden. Das Phänomen trete dann auf, wenn Plan- und Beförderungsstellen in Gefahr geraten. Am Ende ihrer Untersuchung stehen Zahlen, die von den örtlichen Schulentwicklungsplänen deutlich abweichen können.
Das Gutachten beschränkt sich auf Kommunen, die nur noch über eine Schule des untersuchten Typs verfügen. Hier besteht zuerst die Gefahr, dass künftig den Bürgern kein vollständiges Bildungsangebot mehr geboten wird. Solche Gemeinden würden kaum noch Familien mit schulpflichtigen Kindern anziehen, sagte Beckmann. Sie müssten vielmehr deren Wegzug in Kauf nehmen.
Der VBE glaubt nicht mehr, dass das gegliederte System in der Fläche aufrecht erhalten werden kann. Beckmann: »Wir legen mit diesem Gutachten Zahlen und Prognosen vor, die wissenschaftlich untermauert sind und als Grundlage für Perspektiven in der Schulentwicklung dienen können.«
Als Alternative zum bestehenden System habe sein Verband das Strukturmodell der »Allgemeinen Sekundarschule« vorgestellt, das sowohl den Rückgang der Schülerzahlen als auch das Schulwahlverhalten der Eltern berücksichtigt. Mit dem starrem Festhalten an überkommenen Strukturen lasse sich keine Politik mehr machen. Beckmann. »Wer angesichts dieser Zahlen und der jüngsten Pisa-Ergebnisse weiterhin die Diskussion über Schulstrukturen zum Tabu erklärt, der steckt den Kopf in den Sand.«

Artikel vom 08.11.2005