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Polizisten schlagen und treten Opfer

Bielefelder Beamte von Kollegen überführt - Prozess am 19. Dezember

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Skandal bei der Bielefelder Polizei: Zwei Beamte sollen im Mai einen Passanten nachts grundlos zusammengeschlagen haben. Die interne Aufklärung verlief nach Ansicht der Staatsanwaltschaft allerdings vorbildlich. Zur Anklage kam es, weil die Polizisten bei der Tat zufällig von Kollegen beobachtet worden waren.

Zwei Ermittler arbeiteten in der Nacht zum 19. Mai in der Bielefelder Innenstadt an einem Sonderauftrag, sie sollten eine Überwachung durchführen. Gegen 2 Uhr beobachteten die beiden Polizeibeamten allerdings eine andere Straftat: Auf der Straße wurde ein Passant von zwei Fremden verprügelt. Das Opfer steckte zunächste Faustschläge ein. Als der Mann wehr- und hilflos am Boden lag, wurde er, so die Aussage der Observierungskräfte, sogar von beiden Angreifern getreten.
Über Funk verständigten die Polizeibeamten uniformierte Kollegen. Die staunten nicht schlecht, als sich die vermeintlichen Angreifer als 38- und 33-jährige Polizeibeamte in Zivil - vom SEK und von der Einsatzhundertschaft - entpuppten. Man habe den Mann durchsuchen wollen, doch der sei aggressiv geworden, gaben sie an. Dann erst sei es zu den tätlichen Auseinandersetzungen gekommen.
Die internen Ermittlungen im Bielefelder Polizeipräsidium indes deckten ein ganz anderes Bild auf: »Die Aussagen der prügelnden Polizeibeamten passten überhaupt nicht zu den Beobachtungen der Kollegen«, sagte gestern Oberstaatsanwalt Horst Rürup. Und der Jurist lobte die Bielefelder Polizei: »Der Fall ist zügig und gründlich bearbeitet worden.«
Das Opfer hatte überhaupt keine Strafanzeige gegen die Beamten erstattet. Laut Rürup soll der Mann »Repressalien befürchtet« haben, nachdem ihm einer der Polizisten in jener Nacht noch etwas zugeraunt habe. Das Opfer will seinerzeit in der Bielefelder Innenstadt unterwegs gewesen sein, habe einen in der Szene bekannten Drogenumschlagplatz aufgesucht, weil er sich um einen »drogenabhängigen Verwandten habe kümmern« wollen. Demnach soll er die beiden Beamten mit den Worten »Eh, habt Ihr was mit Drogen zu tun?« angesprochen haben. Der Oberstaatsanwalt: »Die Polizisten kamen von einer Party.« Dort habe es Streit mit anderen Personen gegeben, die beiden Polizeibeamten hätten deshalb offenbar »übermotiviert« reagiert.
Der Angriff auf einen Passanten sei jedoch nicht zu entschuldigen. Horst Rürup hat die beiden Männer daher wegen der »gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung« angeklagt. Termin vor einem Bielefelder Schöffengericht ist am 19. Dezember. Rürup hofft auf ein deutliches Urteil: »Ich erwarte Strafen von mehr als einem Jahr.« Das würde für die Beamten den Ausschluss aus dem Polizeidienst bedeuten.

Artikel vom 08.11.2005