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Lienen muss
etwas erklären

Krisengipfel bei Hannover 96

Hannover (dpa). Das Befürchtete ist ebenso schnell eingetreten wie von den meisten vorhergesagt. Martin Kind hat mit seinem unerwarteten Rücktritt als Vorstandsvorsitzender des Fußball-Bundesligisten Hannover 96 Ende August ein Machtvakuum hinterlassen, das die derzeit handelnden Personen nicht annähernd ausfüllen.
Die ausufernde Diskussion um Trainer Ewald Lienen ist ein neuerlicher Beleg dafür. Keiner der beiden zuständigen Geschäftsführer Ilja Kaenzig und Karl-Heinz Vehling hat bislang Rückgrat gezeigt und sich zur Zukunft des Fußball-Lehrers eindeutig positioniert. Heute soll nun ein Krisengipfel für klare Fronten sorgen. Lienen soll erklären, ob und wie das Ziel »einstelliger Tabellenplatz« noch erreicht werden kann.
»Eine falsche Zielsetzung zu Saisonbeginn sehe ich nicht. Wenn man Entwicklung will, muss man auch den Mut haben, die Ansprüche zu erhöhen«, argumentierte Manager Kaenzig. Der 32-Jährige hatte im Sommer für fast fünf Millionen Euro neue Spieler geholt. Längst nicht alle Profis, die auf Kaenzigs Wunsch zu den »Roten« stießen, haben bislang die hohen Erwartungen erfüllt. Ex-Bayern-Profi Vahid Hashemian ist mittlerweile als Fehleinkauf abgestempelt. Dafür müssen Manager und Trainer gemeinsam die Verantwortung übernehmen.
Lienen, den beim 2:2 gegen Mainz 05 ein Last-Minute-Tor von Michael Tarnat vorerst den Job rettete, trug die Zielsetzung zähneknirschend mit. Der 51 Jahre alte Coach hätte lieber auf solche Prognosen verzichtet. Doch ausgerechnet Ex-Clubchef Martin Kind, der als Lienen-Förderer gilt, hatte die Messlatte hoch gelegt. Rechtsanwalt Vehling, ein Neuling im Bundesliga-Geschäft, sieht seine Verantwortung darin, »die gesetzten Ziele zu erreichen und zu verstehen, was zu tun ist, um dahin zu kommen.«
Nach Kinds plötzlichem Abgang bietet »96« ein trostloses Bild. Die für viel Geld verstärkte und von Verletzungspech verfolgte Mannschaft hat außer Kampf wenig zu bieten. Die Fans sind in Lienen-Gegner und -Anhänger gespalten. Auch hinter den Kulissen läuft nichts rund. Kinds Nachfolger Götz von Fromberg sah vom Oberlandesgericht Celle die Rote Karte. Der Notar darf nicht als 96-Geschäftsführer arbeiten und ist als Vereinschef nur noch zuständig für Tennis- oder Badminton-Abteilung.
Kind hält als einer der finanzstarken 96-Gesellschafter die Fäden weiterhin im Hintergrund in der Hand. Bisher hat sich der Unternehmer aber nicht in die Trainer-Diskussion eingemischt.

Artikel vom 08.11.2005