08.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schulen in Existenznöten

In Bad Driburg und Altenbeken scheinbar die klügsten Schüler

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). Bis 2013 gelten 270 Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien in NRW als potenziell gefährdet. Die Schüler werden knapp.

»Was geschieht, wenn nichts geschieht« hat der Verband Bildung und Erziehung (VBE) durch die Universität Dortmund errechnen lassen. Nach der gestern vorgestellten Studie gibt es in 227 Gemeinden nur noch eine Hauptschule, davon werden 156 spätestens 2013 unter die Zweizügigkeit rutschen. Die Mindestschülerzahl, um drei Eingangsklassen zu bilden, wird mittelfristig von 50 Realschulen und 64 Gymnasien nicht mehr erreicht.
Die Hauptschulen Lügde und Marienmünster mit 2008 nur noch 17 bzw. 16 Schülern in Klasse 5 sind in OWL am stärksten gefährdet. Unter die Zweizügigkeit werden spätestens 2013 zehn weitere Hauptschulen geraten. Unter 2,5-zügig sieht die Prognose auch 14 Realschulen und unter 3,0-zügig 8 Gymnasien in Ostwestfalen-Lippe.
Berücksichtigt wurde der verstärkte Trend zu den Gymnasien und die Zahl der Rückläufer zur Hauptschule. Untersucht wurden nur solche Schultypen, die es lediglich einmal vor Ort gibt und Schließung statt Fusion droht.
Nicht erklären kann die Studie, weshalb in Bad Driburg und Altenbeken jedes zweite Kind nach Klasse vier zum Gymnasium wechselt, in Augustdorf aber nur 13,8 Prozent die früher als »höher« eingeschätzte Schule besuchen.
Die Übergangsquote ist regional extrem unterschiedlich. Im rheinischen Meerbusch - bekannt durch seine hohe Millionärsdichte - liegt sie bei gut 60 Prozent. Schlusslicht ist das sauerländische Halver mit fünf Prozent der Grundschulabsolventen am Gymnasium im Schuljahr 2004/2005. Über dem NRW-Schnitt von 36 Prozent liegen Blomberg (45,1), Borchen (44,6), Brakel (40,5), Horn-Bad Meinberg (40,8) Werther (47,2), Warburg (40,9), Vlotho (42,5) und Steinheim (42,0).
»Die enge Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungschancen ist einer Demokratie nicht würdig und auch für die Wirtschaft schädlich«, kritisierte der VBE-Landesvorsitzende Udo Beckmann in Düsseldorf. Er forderte erneut, das gegliederte Schulsystem auf den Prüfstand zu stellen und integrative Strukturen für alle Schüler der Klassen 5 bis 10 zu entwickeln.
Die NRW-Regierung wisse um den Rückgang der Schülerzahlen sehr genau Bescheid, sagte Beckmann weiter. Bei der aktuellen und notwendigen Diskussion um Grundschulen vernachlässige die Politik den anschließenden Sekundarbereich I. Beckmann: »Das mag damit zu tun haben, dass Politiker in Legislaturperioden denken und sich nicht darum kümmern, was sein wird, wenn sie vielleicht schon wieder abgewählt worden sind.«
Die Einheitsschule sei nicht die Antwort auf die Probleme der sinkenden Schülerzahlen, erklärte dagegen der schulpolitische Sprecher der CDU im Landtag, Bernhard Recker. »Grundsätzlich gilt: Erhalt geht vor Neugründung von Schulen.« Künftig sollen »zwei getrennte Bildungsgänge unter einem Dach« zusammengefasst werden, jedoch als eigenständige Schulform fortbestehen.
Themen der Zeit:Kommentar und Hintergrund

Artikel vom 08.11.2005