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Zur
Freiheit
berufen

Bernd Kollmetz ist evangelischerPfarrer der Johanniter Ordenshäuser in Bad Oeynhausen.

Marc Aurel, der Philosoph auf dem Kaiserthron, hat in seiner Selbstbetrachtung folgenden Rat gegeben: »Entwickle dich selbst jeden Tag zu einer Freiheit hin, die verbunden ist mit Freundlichkeit, Einfachheit und Taktgefühl.«

In beeindruckender Bescheidenheit erinnerte der Herrscher des einst mächtigen römischen Reiches seine Zeitgenossen an Tugenden, die der Lebensführung Orientierung geben sollten. Und bis heute hat diese Mahnung an Aktualität nicht verloren. Tugenden sind keine technischen Anstandsregeln, sondern in ihnen spiegeln sich grundsätzliche, lebensbejahende Haltungen des Menschen wider. Und sie haben mit Wirklichkeit zu tun. Sie lassen sich nicht reduzieren auf bloße Wunschvorstellungen, so könnte es sein.
Moment mal!
Bei der Auflistung sollte auch auf die Reihenfolge geachtet werden. Sie steht in einer inneren Dynamik. Aus der Freiheit fließt die Freundlichkeit, die wiederum Mut zur klaren Einfachheit macht, um letztlich dem anderen mit Taktgefühl zu begegnen. In allen Haltungen kommt auf besondere Weise Freiheit zur Sprache. Und dieser Begriff ist nicht nur in der politischen Gemeinde grundlegend, sondern auch in der Glaubensgemeinschaft.

So weist Paulus den Glaubenden darauf hin, dass Christus uns zur Freiheit berufen hat. Der Glaube befreit zum Leben! Diese geschenkte Freiheit wird zum Kennzeichen eines glücklichen Lebens. Und es liegt an meiner Entscheidung, ob ich diese Freiheit zulassen, bekennen will oder nicht. Das »Wollen« kann und darf mir keiner abnehmen.

Übrigens: Wenn die Freiheit als gemeinsame Lebenshaltung das Fundament ist, tritt das Vertrauen wie von selbst hinzu. Denn die Freiheit weiß darum, dass sie ein Gegenüber kennt - so wie das Vertrauen. Das sollten sich die politisch Verantwortlichen in Erinnerung rufen, wenn sie Gebrauch machen von diesen beiden wichtigsten Tugenden.
Bernd Kollmetz

Artikel vom 11.11.2005