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Flehen mit hymnischem Aufschwung

Anton Bruckners f-Moll-Messe

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit Anton Bruckners sinfonisch anmutender Messe in f-Moll haben die Bielefelder Konzerttage in der Neustädter Marienkirche einen fulminanten und gleichermaßen würdigen Abschluss gefunden.

Das Werk mit seinen weiten, monumentalen Steigerungsbögen, hymnischen Aufschwüngen und innigem Flehen gewann unter der umsichtigen Leitung von Ruth M. Seiler eine unter die Haut gehende Ausdrucksintensität, die durch den starken Nachhall im Kirchenschiff noch verstärkt wurde. Wie es der Kirchenmusikdirektorin ein ums andere Mal gelingt, die schwierigen akustischen Eigenschaften zu nutzen ohne dabei auf Präzisionsschliff zu verzichten, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.
Bei allem war die Marienkantorei klanglich und in der Balance bestens aufgestellt. Vom Pianissimo-Kyrie-Einstieg über Gloriajubel, Al-fresco-Homophonie (Credo) und lyrischem Benedictus bis hin zur inbrünstigen Bitte um Frieden erlebte man den Chor beeindruckend reaktionsschnell und artikulationsrein. Pars pro toto für die mitreißende affirmative Gewalt des Werks und seine klangfunkelnde Umsetzung sei an das »Et resurrexit tertia die« erinnert, wo im hochgeschraubten Jubel und begleitet von subtilen Paukenwirbeln die »chorische Auferstehung« gefeiert wurde.
Die Camerata St. Mariae, die sich je nach Anspruch und Gelegenheit zusammenfindet und in der man in sämtlichen Stimmgruppen bekannte Gesichter der Bielefelder Philharmoniker wiederfindet, bildete, den anspruchsvollen Orchesterpart betreffend, eine sichere Bank. Ruth M. Seiler kann somit - etwa in Gloria und Credo -Êauf furios vorwärtspeitschende Tempi setzen, ohne auf präzisionskantige figurative Umspielungen oder lyrische Kantabilität verzichten zu müssen. Entsprechend hochgestimmt wurde der Orchesterpart bis in die feinen Verästelungen ausgehorcht.
Kongenial fügte sich das Solisten-Quartett ins erhebende Gesamtbild ein. Melanie Kreuter (Sopran), Dagmar Linde (Alt), Niels Kruse (Tenor) und Renatus Mészar (Bass) verfügten nicht nur über die gebotene Durchschlagskraft, sondern zeigten in klanglich harmonischer Alternation mit dem Chor enormes Einfühlungsvermögen und große Ausdrucksintensität
Angerührt von solch ansprechender, in musikalische Worte transferierte Glaubenszuversicht dauerte es mehrere Besinnungssekunden, bis sich die Begeisterung des Publikums in lang anhaltenden Ovationen kund tat.

Artikel vom 08.11.2005