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»Leben gegen Leben abwägen«

Bundesverfassungsgericht überprüft das Luftsicherheitsgesetz

Otto Schily: Abschuss faktisch nicht denkbar.

Karlsruhe (dpa). Ein zulässiger Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs ist nach Ansicht von Innenminister Otto Schily (SPD) »faktisch nicht denkbar«. In der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum umstrittenen Luftsicherheitsgesetz machte Schily gestern deutlich, es sei eigentlich kein Szenario vorstellbar, unter denen die strengen Voraussetzungen der Regelung den Abschuss einer vollbesetzten Maschine erlauben würden. Der Einsatz der Bundeswehr in solchen Extremfällen hält Schily jedoch für verfassungsrechtlich zulässig.
Denkbar sei aber, eine entsprechende Klarstellung im Grundgesetz vorzunehmen, falls das Gericht dies für notwendig halte.
Das Land Bayern hält dagegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ohne vorherige Verfassungsänderung nicht für möglich. Die Abwehr von Gefahren sei Sache der Länder, sagte Bayerns Bevollmächtigter Peter Badura.
Das Bundesverfassungsgericht überprüft nach der Klage von sechs Vielfliegern - unter ihnen die früheren FDP-Politiker Burkhard Hirsch und Gerd Baum - die Anfang des Jahres geschaffene neu Befugnis des Bundesverteidigungsministers, von Selbstmordattentäter entführte Flugzeuge im äußerten Fall abschießen zu lassen, um eine noch größere Katastrophe zu verhindern. Ein Urteil wird nächstes Jahr erwartet.
In dem Verfahren vor dem Ersten Senat geht es nach den Worten des Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier um Grundsatzfragen im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit.
»Jedenfalls in dieser Schärfe neu ist die Zuspitzung dieses Konflikts auf die Existenz und das Lebensrecht des Einzelnen«, sagte der Gerichtspräsident. »Darf - so könnte man fragen - der Staat Leben gegen Leben abwägen und hierbei selbst unschuldige Menschen töten, um andere Menschen zu retten?«

Artikel vom 10.11.2005