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Nahm Anwalt
Ehepaar aus?

Steuerberater schöpft Verdacht

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt wegen möglicher Untreue in Millionenhöhe gegen einen Rechtsanwalt und Notar.

»Derzeit ist allerdings noch nicht absehbar, ob sich der Verdacht bestätigt oder wir das Verfahren einstellen werden«, erklärte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart.
Ein sehr vermögendes, älteres Ehepaar aus Ostwestfalen hatte den Rechtsanwalt per notariellem Vertrag als Erben eingesetzt und ihm eine Generalvollmacht erteilt. Damit wollten die kränklichen Senioren offenbar honorieren, dass sich vor allem die Ehefrau des Anwaltes seit Jahren um die beiden gekümmert hatte.
Nachdem der Ehemann ins Koma gefallen war (er ist inzwischen verstorben) und hinsichtlich seiner gesundheitlich angeschlagenen Frau die Sorge bestand, dass sie ihre Vermögensverhältnisse nicht mehr ausreichend überblickte, hatte das örtliche Amtsgericht einen Steuerberater zum Vermögensbetreuer bestellt. Oberstaatsanwalt Baumgart: »Diesem Betreuer fiel auf, dass große Summen von den Konten der Eheleute auf Konten des Anwaltes geflossen waren. Deshalb wandte er sich an die Staatsanwaltschaft.« Auch soll der Anwalt Mietshäuser aus dem Besitz der älteren Leute auf eine eigene Immobilienfirma übertragen haben. Allein an Bargeld sollen dem Rechtsanwalt nach Berechnungen der Witwe 800 000 Euro zugeflossen sein. Die Ermittler beziffern einen möglichen Gesamtschaden auf eine Summe »zwischen einer und zwei Millionen Euro«.
»Wir stehen vor der Frage, ob die Verfügungen des Rechtsanwaltes durch die Generalvollmacht des Ehepaares gedeckt waren«, sagte Baumgart. Möglicherweise seien diese Übertragungen allein aus steuerlichen Gründen bereits vor dem Tod der Eheleute erfolgt.
Das Vorgehen des Rechtsanwaltes entspricht jedenfalls nicht dem derzeitigen Willen der Witwe: Sie hat inzwischen Strafanzeige gegen den Mann erstattet, dem sie früher volles Vertrauen entgegengebracht hatte.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Ermittlungen frühestens zum Jahresende abgeschlossen werden. Der beschuldigte Anwalt hat eine umfassende schriftliche Darstellung der Vorkommnisse angekündigt. Außerdem wartet Baumgart noch auf ein psychiatrisches Gutachten. Es soll Aufschluss darüber geben, ob die alte Frau trotz ihrer zeitweisen Demenz als Zeugin befragt werden kann.

Artikel vom 11.11.2005