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Streit über das Kopftuch-Verbot

NRW-Landesregierung will die schwachen Schüler besser fördern

Düsseldorf (dpa). CDU und FDP haben gestern im Düsseldorfer Landtag die Gesetzesnovelle zum Kopftuch-Verbot an den nordrhein-westfälischen Schulen auf den Gesetzesweg gebracht.
Damit soll muslimischen Lehrerinnen untersagt werden, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. CDU und FDP sehen in dem Kopftuch ein Symbol, das die Neutralitätspflicht der Lehrenden und den Schulfrieden gefährdet. In NRW sind etwa 20 Kopftuch tragende muslimische Lehrerinnen bekannt. SPD und Grüne lehnen ein Kopftuch-Verbot ab. Die Opposition sieht Verfassungsgebote zur Religionsfreiheit und zur Gleichbehandlung der Religionen verletzt. Folge werde eine Verfassungsklage und die Verbannung jeglicher - auch christlicher und jüdischer Symbole - aus den Klassenzimmern sein, warnte die Opposition.
Das neue Gesetz soll Lehrenden »äußere Bekundungen« untersagen, die ihre Neutralitätspflicht verletzen oder den »politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden« gefährden. »Wir werden keine politischen Botschaften zulassen, die mit unserer Verfassung unvereinbar sind«, betonte Schulministerin Barbara Sommer (CDU). Tatsächlich werde das Kopftuch verstärkt als politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gebraucht. In dieser Hinsicht konkretisiere die Novelle die Voraussetzungen für den Lehrerberuf.
FDP-Fraktionschef Gerhard Papke betonte: »Der freiheitliche Staat muss sich einmischen, wenn fundamentalistische Haltungen an unseren Schulen Einzug halten, die sich gegen den Wertekonsens der offenen Gesellschaft und gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau richten.«
Der Zentralrat der Muslime kündigte Widerstand gegen das geplante Kopftuch-Verbot an. »Wir sehen, dass das Gesetz dazu führen wird, Lehrerinnen mit Kopftüchern zu kriminalisieren«, sagte der Vorsitzende Nadeem Elyas. Ihnen werde automatisch Fundamentalismus und Extremismus unterstellt. Betroffene Lehrerinnen wollten dagegen klagen.
Die schwarz-gelbe Landesregierung will die Förderung leistungsschwacher Schüler in den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit rücken. Diese Aufgabe sei »die größte Herausforderung der nächsten Jahre«, sagte Schulministerin Sommer gestern im Düsseldorfer Landtag. In einer Aktuellen Stunde zu den Ergebnissen des jüngsten Schulleistungsvergleichs PISA bescheinigte Sommer der rot-grünen Vorgängerregierung »ein katastrophales Abschlusszeugnis«. Es sei nicht gelungen, nach 39 Jahren SPD-Regierung Leistung und soziale Herkunft der Schüler zu entkoppeln. NRW war im Vergleich zum ersten PISA-Test 2000 hinter die Lernfortschritte der Jugendlichen der meisten anderen Bundesländer zurückgefallen und erneut auf hinteren Rängen gelandet. Bis zur übernächsten Studie 2009 versprach Sommer jedoch »deutlich sichtbare Erfolge« an den nordrhein-westfälischen Schulen. »Wir müssen vermeiden, dass uns Jahr für Jahr ein Viertel der Schüler verloren zu gehen drohen«, warnte sie. Dazu gehöre ein verändertes Schulklima, indem etwa das Zuspätkommen vieler Schüler nicht länger als Alltäglichkeit hingenommen werde.
SPD und Grüne bekräftigten ihre Forderung, das gegliederte Schulsystem auf den Prüfstand zu stellen. CDU und FDP wollen dagegen am gegliederten Schulsystem festhalten. Sie sehen die Ursachen für das schlechte Abschneiden beim PISA-Test in falschen Weichenstellungen der Vergangenheit, zu viel Unterrichtsausfall, Vernachlässigung der Hauptschulen und mangelhaften Deutsch-Kenntnissen ausländischer Schüler.

Artikel vom 10.11.2005