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Das weißt du genau. Deine Anmache, diese ganzen plumpen Anspielungen. Ich... ich möchte dich nicht verlieren, ich möchte nicht, daß wir uns in die Wolle kriegen. Ich will, daß das hier gut läuft. Daß das hier ein Ort bleibt... na ja, du weißt schon, wo wir uns alle drei wohl fühlen. Ein ruhiger Ort ohne Komplikationen. Ich... Du... Wir... wir passen nicht zusammen, das ist dir doch klar, oder? Wir zwei, wir... Natürlich könnten wir miteinander schlafen, ja, okay, aber dann? Wir zwei, das wäre der reinste Schwachsinn, und ich... Na ja, es wäre doch schade, das alles kaputtzumachen, oder?«

Er hing in den Seilen und brauchte ein paar Sekunden, bis er zurückschnappte:
»Moment mal, was erzählst du da eigentlich? Ich habe nie gesagt, daß ich mit dir schlafen will! Und selbst wenn ich wollte, ich könnte nicht! Du bist viel zu dürr! Wie sollte ein Typ Lust bekommen, dich zu streicheln? Besorg's dir selber, Alte! An dich geht ja keiner! Du spinnst ja komplett.«
»Siehst du, wie recht ich habe? Siehst du, wie vorausschauend ich bin? Es würde nie funktionieren zwischen uns. Ich versuche, das alles so taktvoll wie möglich zu sagen, und du hast nichts Besseres zu tun, als im Gegenzug deine ganzen Aggressionen auf mir abzuladen, deine Dummheit, deine Bosheit und deine Gemeinheiten. Zum Glück würdest du mich nie streicheln können! Zum Glück! Ich will deine dreckigen roten Pfoten und deine abgefressenen Fingernägel nicht! Die kannst du dir für deine Kellnerinnen aufsparen!«

Sie hielt sich an der Türklinke fest:
»Okay, das ist ja wohl völlig in die Hose gegangen. Ich hätte den Mund halten sollen. Mensch, bin ich blöd. Ich bin zu blöd. Dabei bin ich normalerweise gar nicht so. Überhaupt nicht. Ich ducke mich eher weg und schleiche auf Zehenspitzen davon, wenn es brenzlig wird.«
Er hatte sich auf den Badewannenrand gesetzt.

»Ja, so mache ich es normalerweise. Aber diesmal, ich dumme Gans, zwing ich mich, mit dir zu reden, weil...«
Er sah auf.
»Weil was?«
»Weil... Das habe ich doch gesagt, weil es mir wichtig ist, daß diese Wohnung ein friedlicher Ort bleibt. Ich werde bald siebenundzwanzig, und zum ersten Mal in meinem Leben wohne ich an einem Ort, an dem ich mich wohl fühle, an den ich abends gerne zurückkehre, und auch wenn ich noch nicht sehr lange hier wohne, so bin ich doch bei allen Beleidigungen, die du mir an den Kopf wirfst, immer noch hier, wie du siehst, und trete meine Selbstachtung mit Füßen, um sie nicht zu verlieren. Eh... verstehst du, was ich sagen will, oder ist das alles nur Kauderwelsch?«
»...«
»Na, dann will ich mal an mich gehen eh... in mich gehen.«
Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen:
»Entschuldige, Camille. Ich benehme mich dir gegenüber wirklich wie ein Holzfäller.«
»Ja.«
»Warum bin ich so?«
»Gute Frage. Also? Wollen wir das Kriegsbeil begraben?«
»Nur zu. Ich fang schon mal an zu schaufeln...«
»Super. Wollen wir es mit einem Küßchen besiegeln?«
»Nein. Mit dir schlafen - meinetwegen, aber Küßchen auf die Wange - niemals. Das ist mir zu hart.«
»Du bist doof.«


Er brauchte einen Moment, um wieder hochzukommen, beugte sich vor, betrachtete seine Zehen, seine Hände, seine Fingernägel, löschte das Licht und nahm Myriam, ohne bei der Sache zu sein, wobei er sie aufs Kopfkissen drückte, damit sie es drüben nicht hörte.

5. KapitelAuch wenn sie dieses Gespräch viel Überwindung gekostet hatte, auch wenn sie an diesem Abend beim Ausziehen ihren Körper noch argwöhnischer beäugt hatte, hilflos und entmutigt von all den Knochen, die an den strategischsten Stellen der Weiblichkeit hervorstachen, den Knien, den Hüften, den Schultern, auch wenn sie lange gebraucht hatte, um einzuschlafen, ihre Minuspunkte zählend, bereute sie es nicht. Schon am nächsten Tag spürte sie an der Art, wie er sich bewegte, wie er scherzte, wie er aufmerksam war, ohne zu dick aufzutragen, und egoistisch, ohne es überhaupt zu merken, daß die Botschaft angekommen war.
Myriams Anwesenheit in seinem Leben machte vieles leichter, auch wenn er sie links liegen ließ. Er schlief häufig auswärts und kehrte entspannter zurück.

Manchmal vermißte Camille ihre kleinen Späße. Du dumme Gans, sagte sie sich, es war doch eigentlich ganz nett. Aber ihre schwachen Momente hielten nicht lange an. Weil sie schon viel dafür geblecht hatte, kannte sie den Preis seelischer Ausgeglichenheit genau: unerschwinglich. Und was war eigentlich los? Wo hörte die Ehrlichkeit auf, und wo begannen die Spielchen mit ihm? So weit war sie mit ihren Gedankengängen, allein bei Tisch vor einem nicht ganz aufgetauten Gratin, als sie auf dem Fensterbrett etwas Seltsames entdeckte.
Es war das Porträt, das er gestern von ihr gemalt hatte.
Am Eingang des Schneckenhauses lag ein frisches Salatherz.
Sie setzte sich wieder und stieß mit einem albernen Grinsen ihre Gabel in die kalten Zucchinis.

6. KapitelGemeinsam gingen sie eine hyperperfektionierte Waschmaschine kaufen und teilten sich die Rechnung. Franck strahlte, als der Verkäufer zurückgab: »Aber Madame hat vollkommen recht...« und nannte sie während der ganzen Vorführung Schatz.

»Der Vorteil dieser kombinierten Geräte«, schwadronierte der Verkäufer, »dieser zwei in einem, wenn Sie so wollen, ist natürlich die Platzersparnis. Tja, man weiß ja leider, wie das heute so ist bei den jungen Paaren, die sich neu einrichten.«
»Sagen wir ihm, daß wir uns zu dritt in dreihundert Quadratmeter quetschen?«, flüsterte Camille und faßte ihn am Arm.
»Schatz, ich bitte dich...«, mokierte er sich, »ich möchte gerne hören, was der Herr zu sagen hat.«

Sie bestand darauf, daß er sie vor Philiberts Rückkehr anschloß, »sonst streßt ihn das zu sehr«, und verbrachte einen ganzen Nachmittag damit, eine Abstellkammer nahe der Küche zu putzen, die man früher wohl »Waschküche« genannt hatte.

Sie entdeckte Stapel über Stapel an Bettüchern, bestickten Geschirrhandtüchern, Tischdecken, Schürzen und Handtüchern mit Waffelmuster... Alte, hart gewordene Seifen und rissige Putzmittel in wunderschönen Dosen: Kristallsoda, Leinöl, Schlämmkreide, Alkohol zum Pfeifenreinigen, Saint-Wandrille-Wachs, Rémy-Wäschestärke, weich wie samtene Puzzleteile, wenn man sie berührte. (wird fortgesetzt)

Artikel vom 26.11.2005