11.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kronenkorken für Bier in Nepal

Firma Brüninghaus in Versmold verschließt Flaschen aus aller Welt

Von Bernhard Hertlein
und Stefan Hörttrich (Fotos)
Versmold (WB). Ob sie ein Lieblingsbier habe, wird sie gefragt. »Na klar«, antwortet Dagmar Nowitzki (46). »Sogar mehrere.« Doch die Namen will sie nicht verraten. Schließlich soll kein Kunde verärgert werden. Vier von zehn Kronenkorken auf deutschen Bierflaschen stammen aus der von Nowitzki geführten Helmut Brüninghaus GmbH & Co. KG in Versmold.

Gegründet wurde das mittelständische Unternehmen vor 98 Jahren als Leder- und Metallwaren-Fabrik. Nach dem zweiten Weltkrieg produzierte es vor allem Sättel für Fahr- und Motorräder. Mit dem Siegeszug des Automobils begann die Suche nach einem alternativen Produktionsgegenstand. Nowitzkis Stiefvater war in erster Ehe mit einer Brauereitochter verheiratet gewesen. Von daher ahnte er, dass die Tage des Bügelverschlusses gezählt waren. Kronenkorken verschlossen die Flasche ebenso gut und vor allem billiger.
1954 fertigte Brüninghaus die ersten 30 000 neuen, 21-zackigen Verschlüsse. Heute fallen in Versmold jährlich acht Milliarden Kronenkorken aus den Maschinen - mit steigender Tendenz. Abgesehen vom »Flens« (Flensburger Pilsner) stellten in der Folgezeit fast alle Brauereien auf Kronenkorken um. Einige bieten ihren Kunden neuerdings auch wieder Bierflaschen mit Bügelverschluss. Obwohl dazu mit Strate (Detmold) und Barre (Lübbecke) ausgerechnet auch zwei Brauereien aus Ostwestfalen-Lippe gehören, liegt der Anteil der Bügelverschluss-Flasche nach wie vor unter fünf Prozent.
Dagmar Nowitzki erlebte einen Großteil ihrer Kindheit in der auf dem Firmengelände liegenden Fabrikantenvilla. Erst in den siebziger Jahren siedelte die Familie nach Bielefeld um. Sie kannte so die Abläufe, Vorteile und Sorgen in einem mittelständischen Unternehmen. Trotzdem zog es sie nach der Schule zunächst zu anderen Gefilden. Sie studierte Kunstgeschichte, promovierte über die dem Bauhaus nahe stehenden Architekten-Brüder Hans und Wassili Luckhardt.
Danach arbeitete sie bei dem Touristikunternehmen »Hamburger Studienreisen«. Sie war drauf und dran, den Betrieb von ihrem Chef zu übernehmen, als 1991 plötzlich ihre Stiefschwester nach schwerer Krankheit im Alter von nur 51 Jahren starb. Nun stand das Versmolder Unternehmen - von der damals schon 70-jährigen Mutter abgesehen - ohne familiären Nachfolger da. »Mir ist die Entscheidung wirklich nicht leicht gefallen«, berichtet Dagmar Nowitzki. Doch letztlich entschied sie sich für die Familientradition und gegen die Neigung zur Kunstgeschichte und dem Verreisen.
Immerhin war von Anfang an klar: Der Export ist bei Brüninghaus Chefin-Sache. 40 Prozent seines Umsatzes von 25 Millionen Euro erzielt das Unternehmen heute im Ausland. Außerhalb Europas steht hier an erster Stelle das südliche Afrika mit den Großkonzernen Diageo und SAB. Dazu kommen Kunden in Israel, Ägypten und dem Jemen. Selbst die »Gorkha Brewery« in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu verschließt ihre in Lizenz von Carlsberg gebrauten Biere mit Kronenkorken aus Ostwestfalen. Gelitten hat zuletzt der Export in die USA. Die Dollar-Schwäche verteuerte die deutschen Produkte und führte bei Brüninghaus zu Marktanteilsverlusten.
Trotz der starken Marktpräsenz hat es Nowitzki nicht leicht. In diesem Jahr belasteten vor allem die hohen Rohstoffkosten (Stahl, Kunststoff) die Bilanz. Die Gewinne werden stets wieder in den Betrieb mit seinen 70 Mitarbeitern reinvestiert. Dabei geht es nicht nur um Rationalisierung. In diesem Jahr wurde eine neue Laserdruck-Maschine in Betrieb genommen. Nun können sogar einzelne Kronenkorken auf der Innenseite unterschiedlich gekennzeichnet werden.
Immer mehr Brauereien und Softdrink-Anbieter nutzen deshalb die Verschlüsse als Werbeträger. Für Aufsehen sorgte beispielsweise die Sammleraktion der Herforder Brauerei Felsenkeller zu ihrem 125. Geburtstag. »Der Kronenkorken ist zwar klein, aber seine Wirkung für die Werbung ist groß«, sagt Nowitzki.

Artikel vom 11.11.2005