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Senner Idee:
Regenschirm
für Rollatoren

Gehbehinderte dürfen aufatmen

Von Markus Poch
(Text und Fotos)
Senne (WB). Da, wo andere mühsam schweißen oder umständlich schrauben, verwendet der Senner Unternehmer Hans-Georg Pieper gerne seine eigenen Patente oder Gebrauchsmuster.

Nach diesem Rezept machte der heute 49-jährige Großhandelskaufmann die einstige Zwei-Personen-Firma »MPB Pieper Rollstuhlzubehör und mehr« seit 1991 zu einem der drei führenden Unternehmen auf diesem Sektor bundesweit. Immer um die Standardisierung und Vereinfachung von Prozessen bemüht, begann er sein Geschäft mit einer kleinen Kunststoffhalterung für Krückstöcke und einem rollstuhltauglichen Becken-Haltegurt. Freunde und Bekannte belächelten sein Vorhaben. Heute beschäftigen er und seine Frau Marita (44) zwölf Mitarbeiter und einen Auszubildenden, ihren Sohn Sebastian (19). Gemeinsam vertreiben sie per Katalog mehr als 800 Artikel in ganz Europa. Das Sortiment reicht von Infusionshaltern und Knebelschrauben über Urinbeuteltaschen bis hin zu pannensicheren Reifen, Luftpumpen oder Desinfektionsmitteln. Jüngster Clou des erfolgreichen Trios: ein Gelenkarm mit Regenschirm zur einfachen Montage an Rollator (»Gehwägelchen«) oder Rollstuhl.
Jeder kennt das Bild einer alten, gebückt laufenden Frau, die sich nur deshalb im strömenden Regen ungeschützt mit ihrer Gehhilfe über die Straße schiebt, weil sie für den Schirm keine Hand mehr frei hat. Das muss jetzt nicht mehr sein: Aus stabilem, rostfreiem Alu-Rohr und Knickgelenken, wie sie in anderen Gewerbezweigen üblich sind, konstruierte Pieper einen konkurrenzfähigen Rollatorschirm. Er lässt sich einfach und platzsparend am Rollator oder Rollstuhl anbringen, ist mit wenigen Handgriffen auseinander geklappt und schützt vor Regen oder Sonne. Die Gelenke rasten in jedem beliebigen Winkel ein, der Schirm besteht aus einem blauen oder silberfarbenen Nylongewebe.
»Natürlich gibt es auf dem Markt bereits andere Schirmhalter«, sagt der kreative Unternehmer. »Aber die haben alle Haken und Ösen. Das sind eher Bastelarbeiten, aber keine Wettbewerbsprodukte.« Ein Problem ist und bleibt das Thema »Wind«. »Zwar ist unser Produkt bis Windstärke sechs getestet, aber bei starken Böen sollte man den Schirm unbedingt einklappen oder besser zu Hause bleiben«, empfiehlt Hans-Georg Pieper. »Warum wohl bewegen sich Segelschiffe...? Auch wir können für das Produkt die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen.«
500 bis 600 Schirme (empfohlener Ladenpreis Euro 79,95) verkauft die Firma MPB heute pro Monat an den Sanitätsfachhandel. »Das ist aber noch lange keine industrielle Fertigung«, erklärt Pieper. »Unsere Stückzahlen werden niemals die Größenordnung derer von Wischeimern, Yoghurtbechern oder Ikea-Tassen erreichen.« Auf zwei kleinen Arbeitsplatten montieren seine Leute die Einzelteile, die im MPB-Auftrag von anderen Unternehmen hergestellt werden. Dabei versucht der Erfinder, möglichst die heimische Industrie einzubinden. So stammen Bauteile seiner Produkte zum Beispiel aus Quelle, Schloß Holte, Bad Salzuflen, Bünde, Lübbecke, Bielefeld oder Osnabrück.
Der Rollatorschirm ist für HansGeorg Pieper wie sooft nicht das Ende der Fahnenstange, sondern gerade erst der Anfang. Derzeit reift in seinem Gehirn die Weiterentwicklung des Gelenkarmes zu einer Getränke- oder Handyhalterung für Einarmige und Armlose.

Artikel vom 08.11.2005