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»Reichensteuer« geplant

Länder wollen Anteil an möglicher Mehrwertsteuererhöhung

Berlin (dpa). Reiche in Deutschland müssen wohl doch mit höheren Steuern rechnen. Koalitions-Unterhändler von Union und SPD haben sich laut »Spiegel« auf eine »Reichensteuer« verständigt.
Die Wahrscheinlichkeit einer Mehrwertsteuererhöhung steigt damit deutlich, da die SPD ihre Zustimmung dazu an die Einführung der »Reichensteuer« geknüpft haben soll. Eine CDU-Sprecherin betonte gestern dazu in Berlin: »Es ist noch keine abschließende Entscheidung gefallen.«
Die Regierungschefs mehrerer Länder reklamierten bereits die Hälfte der Einnahmen aus einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 20 Prozent für ihre Haushalte, sollten die zusätzlichen Gelder nicht wie von der Union geplant zur Reduzierung der Lohnnebenkosten genutzt werden. Jeder Mehrwertsteuerpunkt bringt acht Milliarden Euro.
Die von der SPD im Wahlkampf geforderte »Reichensteuer« soll für Einkommen ab 250 000 Euro für Ledige und 500 000 Euro für Verheiratete gelten. Top-Verdiener müssten dann von jedem Euro, der über dieser Summe liegt, zusätzlich drei Prozent abführen.
Bei getrennten Klausuren suchten Union und SPD gestern nach Kompromissen bei den Streitthemen Gesundheit, Finanzen, Kündigungsschutz und Atompolitik. Die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Franz Müntefering appellierten an beide Seiten, sich zum Wohle Deutschlands bis Samstag auf einen Koalitionsvertrag zu einigen.
Der designierte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) betonte: »Am Ende werden wir um Einnahmeerhöhungen nicht herumkommen, denn der Zustand des Bundeshaushaltes ist katastrophaler, als wir in unseren kühnsten Fantasien befürchteten.«
Führende Politiker von Union und SPD machten klar, dass das Defizit im Bundeshaushalt 2007 von wenigstens 43 Milliarden Euro allein durch Einsparungen nicht zu schließen sei.
Der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner (Gütersloh) dementierte Berichte, wonach die Union Erfolge bei der Lockerung des Kündigungsschutzes verbuche. Seine Partei werde einer Verlängerung der Probezeit auf bis zu zwei Jahre nicht zustimmen, sagte er. Auch in der Energiepolitik gibt es Dissens: Die SPD will sich nicht auf längere Laufzeiten der Atomkraftwerke einlassen.
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) haben sich laut »Berliner Zeitung« darauf geeinigt, schwerkriminelle Jugendliche, wie bisher nur Erwachsene, künftig nachträglich in Sicherungsverwahrung nehmen zu können.
Firmen sollen laut »Berliner Zeitung« künftig schneller ihre Investitionen abschreiben können: jeweils 30 Prozent in den ersten beiden Jahren. So soll die Nachfrage nach Maschinen und Ausrüstung erhöht werden, um die Konjunktur in Gang zu bringen. Das würde 4,3 Milliarden Euro kosten und wäre die bisher teuerste Koalitionsvereinbarung. Seite 4: Hintergrund

Artikel vom 07.11.2005