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Deutschlands schönste und fröhlichste Brauerinnen
Neu von Strate: »Sennebier« für die Hövelhofer -ÊGeschichte und AnekdotenRückläufige Absatzzahlen, verschärfte Konkurrenz in- und ausländischer Konzerne sowie der von Oettinger und anderen Billigbieren ausgelöste Preisdruck machen der mittelständischen Brauwirtschaft das Leben schwer.
Ein kleiner Bierproduzent im lippischen Detmold lässt sich darüber nicht die Laune verderben. Vielleicht liegt es daran, dass die Strate-Brauerei als einzige in Deutschland von drei Frauen geführt wird. Friederike Strate, Deutschlands bekannteste und erfolgreichste Braumeisterin, findet es »pervers«, wenn andere Hersteller in Branchenkreisen protzen, dass ihr Bier schon nach 111 Stunden Produktionsprozess fertig die Brauerei verlässt. »Qualität muss reifen«, sagt sie, die das Unternehmen seit elf Jahren zusammen mit ihrer Schwester führt. Simone Strate, seit wenigen Monaten Mutter des neuen Stammhalters Friedrich Alexander, ist als Betriebswirtin vor allem für Finanzen und Personal zuständig. Als »gute Seele« und Dritte im Frauenbund wird Mutter Renate Strate (70) bei allen wichtigen strategischen Entscheidungen zu Rate gezogen.
Begonnen hat die Brauereigeschichte 1863 mit Adolf Hüppe und seiner Frau Sofie. Im Folgenden ist sie gespickt mit den Anekdötchen eines quicklebendigen Familienunternehmens. So wurde die Privatbrauerei um 1900 in eine AG umgewandelt. Als die Aktionäre eine Dividende sehen wollten, verlor der damalige Brauerei-Chef Louis Grothe bald den Spaß an dieser Unternehmensform und kaufte kurzerhand alle Aktien zurück.
Seine Tochter Johanni Grothe sollte dem Verwalter des Guts, das der Brauerei angeschlossen war, ein bisschen zur Seite stehen. »Er ist so ernst und so pingelig«, beklagte sie sich bald bei ihrem Vater. Dessen Rat an den Gutsverwalter, doch etwas netter zu seiner Tochter zu sein, hatte unerwartet schnell Erfolg: Nur drei Monate später heirateten die beiden und wurden Eltern von drei Töchtern und drei Söhnen.
Einer, Braumeister Friedrich Strate, verliebte sich in Renate, die Mutter von Friederike und Simone. Diese verkaufte Zigarren und war außerdem eine großartige Springreiterin, was ihr in Detmold den Spitznamen »Hanna Havanna, die schnellste Frau von Lippe« eintrug.
Die Liebe zum Pferdesport haben die Töchter von der Mutter geerbt. Friederike stieg 1983 als »Deutschlands jüngste Braumeisterin« in fünfter Generation ein. Drei Jahre vorher war eine der wichtigsten Innovationen in der Geschichte der Strate-Brauerei, die (Wieder-) Einführung der Bügelverschlussflasche gestartet. Heute sind die Lipper nach der Flensburger Brauerei der zweitgrößte 0,33-Liter-Bügelverschlussflaschen-Abfüller.
Weitere erfolgreiche Innovationen folgten, so Detmolder Landbier und Detmolder Weizen sowie die Mix-Getränke »Sun« (Pilsner und Limo) und »Moon« (Landbier mit Cola). Das »Glühbier« (mit Anis und anderen Weihnachtsgewürzen) ließen sich die Strates sogar patentrechtlich schützen. Mit der jüngsten Innovation, dem »Hövelhofer«-Sennebier, unterstreichen die lippischen Frauen seit Ende September ein Mal mehr ihre Verbundenheit mit der Region. Bei niedrigen Temperaturen wird das Malz lange getrocknet, deshalb schmeckt das sandfarbene Pils weder herb noch bitter. Die Rezeptur stammt von Friederike. Das Brauwasser wird tatsächlich den Berlebecker Quellen in der Senne entnommen.
Das Vertriebsgebiet erstreckt sich etwa im Kreis von 120 Kilometern rund um den Sudkessel. Hier sponsert Strate zahlreiche Vereine und Feste. Bei Investitionen gehen die Aufträge an lokale Handwerker: »Wo's Geld verdient wird, wird's auch ausgegeben.« Etwa 10 000 kommen jährlich zu den beliebten Brauereibesichtigungen.
Von einer Tradition halten Friederike und Simone Strate allerdings gar nichts: »Wir zwingen keinen Gastwirt, unser Bier auszuschenken, in dem wir vorher seine Einrichtung vorfinanzieren.« Der Erfolg gibt den Schwestern recht: In 15 Jahren haben sie den Ausstoß der Brauerei auf 155 000 Hektoliter versechzehnfacht. Ihr nächstes Ziel: »Wir wollen Deutschlands schönste Brauerei werden.« Basis sind die denkmalgeschützte Brauerei und der Fabrikgarten. Wer will bezweifeln, dass es ihnen gelingt? Deutschlands schönste und fröhlichste Brauerei-Besitzerinnen sind sie ja schon. Bernhard Hertlein

Artikel vom 12.11.2005