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Große Staatsreform ist am Ziel

Union und SPD einigen sich auf künftige Aufgaben von Bund und Ländern

Berlin (dpa). Spitzenvertreter von Union und SPD haben sich gestern in Berlin auf eine große Staatsreform verständigt. Die Zuständigkeiten von Bund und Ländern werden neu geordnet.
Auch die Ländervertreter in der Koalitionsarbeitsgruppe, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), stimmten der Vereinbarung zu, die auf eine Entflechtung der Bund-Länder-Kompetenzen abzielt. Die Ministerpräsidenten wollen noch diese Woche über die Vereinbarung der geplanten Koalition beraten. Die zahlreichen Grundgesetzänderungen müssen Bundestag und Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheiten passieren.
Die Rahmenkompetenz des Bundes in der Bildungs- und Umweltpolitik soll entfallen. In der Hochschulpolitik sind die Länder weitgehend allein zuständig. Hochschulzugang und -abschlüsse regelt der Bund. In der Umweltpolitik erhält der Bund das Sagen. Die Länder können von der Bundesgesetzgebung im Bildungs- und Umweltrecht abweichen. Die Eckpunkte der Vereinbarungen:
Zustimmungsrechte: Die Mitbestimmungsrechte des Bundesrates werden abgebaut. Der Anteil der Bundesgesetze, denen der Bundesrat zustimmen muss, soll von bisher 60 Prozent auf 35 bis 40 Prozent reduziert werden.
Bildung: Die Rahmenkompetenz des Bundes entfällt. Die Länder sind künftig allein zuständig für Schulen und Hochschulen. Der Bund zieht sich aus dem Hochschulbau zurück. Ihm verbleibt die Zuständigkeit für Hochschul-Zugang und -Abschlüsse. Die Länder können davon allerdings in Einzelfällen abweichen. Eingriffe des Bundes bei der Finanzierung von Länder-Bildungsprojekten wie Ganztagsschulen soll es nicht mehr geben.
Umwelt: Das Umweltrecht ist Bundessache, die Länder erhalten aber bis auf einige Kernbereiche Abweichungsrechte.
Beamte: Laufbahn, Besoldung und Versorgung der Beamten wird künftig Ländersache sein. Statusrechte der Staatsdiener regelt der Bund. Das öffentliche Dienstrecht erhält eine Öffnungsklausel. Das kann theoretisch bis zur Abschaffung des Berufsbeamtentums gehen.
Gesetzgebungskompetenzen: Ladenschluss- und Gaststättenrecht, Strafvollzug, Spielhallen und das Versammlungsrecht, das Presserecht und das Notariatswesen sind Ländersache. Alleinige Bundeskompetenz sind der Schutz des deutschen Kulturguts vor Verkauf ins Ausland, das Waffen- und Sprengstoffrecht und die Nutzung der Atomenergie.
Stabilitätspakt: Strafzahlungen an Brüssel bei Verstößen gegen die Euro-Stabilitätskriterien werden vom Bund (65 Prozent) und den Ländern (35 Prozent) getragen.

Artikel vom 08.11.2005