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Mittwoch streiken die Ärzte

Viele Praxen bleiben geschlossen - erster Protesttag in Köln

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Mehrere 1000 Arztpraxen bleiben am kommenden Mittwoch geschlossen. Haus- und Fachärzte sowie Arzthelferinnen wollen an diesem ersten bundesweiten Protesttag in Köln gegen aus ihrer Sicht unzumutbare Arbeitsbedingungen demonstrieren.

Zu dem Protesttag am 9. November hat die Freie Ärzteschaft aufgerufen. Unterstützt wird die Aktion vom Hartmannbund, dem Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund) und dem Bundesverband der Arzthelferinnen. Weitere Protesttage sollen folgen.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe müssen Ärzte, die am Mittwochmorgen keine Patienten behandeln wollen, für eine Vertretung sorgen. Am Mittwochnachmittag sei die Vertretung, wie auch sonst üblich, durch den normalen Notdienst geregelt. KV-Sprecher Andreas Daniel: »Patienten sollten sich informieren, ob ihr Hausarzt am Mittwoch auf die Straße geht, um unnötige Wege zu vermeiden.«
An dem Streiktag soll deutlich gemacht werden, dass die politisch gewollte »Austrockung« der ambulanten wohnortnahen Versorgung zugunsten der stationären Behandlung gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet sei, sagte Martin Grauduszus, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft dieser Zeitung.
Nach Angaben von Grauduszus trete die finanzielle Unterversorgung der ambulanten Medizin immer deutlicher zu Tage. Umsatzverluste von 15 Prozent alle fünf Jahre bedeuteten durchschnittliche Gewinneinbußen von mehr als 30 Prozent und seien akut existenzgefährdet für viele Praxen. Bereits heute seien 20 bis 30 Prozent der 100 000 Kassenarztpraxen in einer wirtschaftlichen Notlage. In den vergangenen Jahren seien bereits 100 000 Arzthelferinnen entlassen worden.
Zu dem ersten nationalen Protesttag würden bis zu 10 000 Teilnehmer erwartet, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes Westfalen-Lippe des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt aus Bielefeld-Quelle. Grund des Protestes sei auch, dass durch immer mehr Bürokratie in den Praxen zu wenig Zeit für den Patienten bleibe. 20 Prozent der Arbeitszeit verbringe der Arzt bereits am Schreibtisch und nicht bei den Kranken.
Ferner müssten die niedergelassenen Ärzte für die Kostensteigerung bei den Medikamenten »bluten«. Das Maß sei jetzt voll. Reinhardt: »Wir wollen nicht länger zur Finanzierung des Gesundeheitswesens heranzogen werden.« Es sei zum Beispiel ein Unding, dass die gesetzlichen Krankenkassen im Bereich Nordrhein im Vorgriff auf 2006 sechs Prozent der Arzthonorare kürzen wollten. Eine ähnliche Honorarkürzung werde auch für Westfalen-Lippe erwartet. Die Gesamthonorarsumme im Bereich Nordrhein betrage 2,7 bis 2,9 Milliarden Euro. Die Vorab-Kürzung sei eine Kollektivhaftung der Ärzte und eine Vorverurteilung unter dem Motto: Im nächsten Jahr werden wieder zu viele Arzneimittel verschrieben.
www.hartmannbund.de

Artikel vom 05.11.2005