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Gelungener Balanceakt

Autor Moritz Rinke besuchte Stückprobe und las Essays


Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Es hat mir sehr gefallen«, urteilt Moritz Rinke (39). Gestern Nachmittag besuchte er im Theater am Alten Markt (TAM) die Probe seines Stücks »Café Umberto«, das heute, Samstag, Premiere hat. Gestern Abend las er aus seiner Sammlung von Texten »Das große Stolpern«.
»Café Umberto« wird inszeniert von Michael Heicks, Intendant des Theater Bielefeld. Autor Moritz Rinke hat Vertrauen zu ihm, seitdem Heicks sein Stück »Republik Vineta« auf die Bühne gebracht hat. Rinke findet, dass Heicks die Balance gelungen sei zwischen Ernsthaftigkeit, Traurigkeit und Lachen. Das sei keine Selbstverständlichkeit: »In Deutschland herrscht meist die Meinung vor, man dürfe über Wichtiges nicht lachen.« Dabei sei »Café Umberto« eine »absurd-groteske Komödie«.
Als er das Stück abgeschlossen habe - im Januar 2005 - habe es noch keinen Gedanken an Neuwahlen gegeben. Rinke: »Das Thema 'Arbeitslosigkeit' hat im Wahlkampf ein Gewicht bekommen, mit dem ich nicht rechnen konnte, als ich zu schreiben begann.« Bei der Premiere selbst könne er nicht dabei sein, er werde aber gewiss wiederkommen, verspricht Rinke. Initialzündung, »Café Umberto« zu schreiben, sei ein Landwirt gewesen, den er seit seiner Kindheit in Worpswede kenne und der plötzlich habe zum Arbeitsamt gehen müssen, weil er kein Auskommen mehr mit seinem Hof finden konnten. Moritz Rinke: »Er hat alle möglichen alten Papiere zusammen geklaubt, seinen Sonntagsanzug angezogen.« Der Landwirt kommt als Bauer Anton, der seinen Freischwimmerausweis mit ins »Jobcenter« bringt, auch im »Café Umberto« vor. Rinke ist es wichtig, dass der »Geist« seiner Stücke erhalten bleibe: »Was ich schreibe wird erst durch das Spiel lebendig.«
Heicks Inszenierung habe ihn, so formuliert Moritz Rinke, habe ihn »erhellt«. Als Autor müsse man zwar lernen loszulassen, aber er sei doch immer froh, »wenn ich mein Stück auch wiedererkenne«.
Er arbeite ungern an mehreren Projekten nebeneinander. Ausnahme sind da seine Essaysammlungen. Die erste war »Der Blauwal im Kirschgarten«, jetzt, vier Jahre später »Das große Stolpern«.
Rinke will weiter Geschichten zusammen tragen und im Vierjahres-Rhythmus veröffentlichen: »Als Erinnerungsstück nach dem Motto: 'Ach, so war das - damals'.« Erinnerungen seien wichtig, denn: »Die Zeit wird immer atemloser.«

Artikel vom 05.11.2005