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Wellness - weltweites Spa-Ziel
Schon am Anfang der Kur stand hochherrschaftliches Jagd- und Badevergnügen - Wieder begehrt: der private Gast
Kur und Jagd: Die Suche nach Heilung von Leiden aller Art spannt sich vom hochherrschaftlichen Jagdvergnügen im 19. Jahrhundert bis zum luxuriösen Earth Nature Spa in Afrikas Tierparks von heute. Selbst dort wird gekurt. Zu allen Zeiten und um fast jeden Preis ist Gesundheit gefragt.
Ob im griechischen Epidauros, dem größten Kurort der Antike, in modernen »Bauernbädern« wie Senkelteich und Seebruch (eine Woche 370 Euro), in einer afrikanischen Luxus-Lodge (Tagessatz 730 Euro) oder in asiatischen Thermen - immer sind wohlige Bäder und medizinischer Rat gefragte Accessoires eines Wohlfühl-Gesamterlebnisses.
Im weltberühmten Krüger-Nationalpark etwa ziehen Elefanten und Giraffen gemessenen Schrittes zum Wasserloch, während 150 Meter weiter gutbetuchte Safari-Gäste Entspannung in der ultramodernen Earth Lodge von Sabi Sabi suchen. Schwimmhalle, Minipools vor im Busch verborgenen Suiten, Saunen, Zen-Hof und Massagebäder - alles erinnert eher an einen Edel-Kurort, denn an das weltberühmte Wildreservat. Das »Camelot-Spa«, gemeinhin: Heilbad, mit eigener Landebahn für das Flugtaxi nach Johannesburg zeichnet diese Top-Herberge aus.
Erdig naturverbunden ist der Gesamteindruck. Eine Lehm-Langgras-Zement-Verbindung dient als Baustoff, naturbraunes, afrikanisches Slasto bedeckt den Boden. Die Jagd im Bushveld, täglicher Zeitvertreib der »Kurgäste« hier, bleibt unblutig, findet nur mit Kameras und langen Teleobjektiven statt. Diese Region im südöstlichen Afrika ist legendär wegen seiner »Big Five«/»Fünf Großen«: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard - aber auch Geparden, Zebras, Giraffen, Impala und andere Tierarten ziehen durch. Zäune sind verpönt, das Wild passiert tagsüber und nachts ungehindert die insgesamt drei Camps von Sabi Sabi.
Jagd stand auch hierzulande Pate, zum Beispiel in Form der englischen Fuchshatz mit Meute in der heimischen Senne, die den Savannen Afrikas gar nicht so unähnlich ist. In Bad Lippspringe war es Adolf von Nassau, der spätere Großherzog von Luxemburg, der seit 1850 feudale Parforce-Jagdgesellschaften einlud und seine Gäste zum Trinken aus der Arminius-Heilquelle veranlasste. Bäderwerbung auf höchstem Niveau.
Auch in den Bädern Driburg, Meinberg und Oeynhausen trug zu jenen Zeiten das erwachende Gesundheits- und Reiseinteresse wohlhabender Schichten zu wirtschaftlicher Blüte bei. Gründerzeiten brachen aus in dem bis heute überdauernden Heilgarten entlang des Teutoburger Waldes. Man war damals schon, was die Kurorte nach den Rosskuren der Gesundheitsreformer heute wieder werden müssen: »Selbstzahlerbad«.
Zurück zu den Ursprüngen. Privatgäste mit Kaufkraft sollen nach dramatischen Abstürzen der von Rentenversicherungen gespeisten Gästezahlen wieder Stammpublikum werden. Wenn wenige für ihre Gesundheit bis ins hintere Afrika reisen, dann sollen viele Menschen auch daheim Gelegenheit zur Eigenvorsorge haben. Ostwestfalens Bäder verzeichnen schon kleine, aber feine Erfolge im Werben um diese gehobene Klientel.
Ein Blick in die Geschichte der Kur belegt es, der Fingerzeig auf Afrika und eine lange Reihe weltweiter Luxus-Herbergen mit verschwenderischer Bäderabteilung bestätigt es: Nicht die gerade noch zwei Millionen Sozialgäste in den 300 deutschen Heilbädern und Kurorten tragen die Wohlfühl-Industrie, sondern 12,5 Millionen selbstzahlende Gesundheitssuchende. Die mancherorts immer noch beargwöhnten Privatgäste stehen am Anfang wie am Endpunkt einer Entwicklung, in der Fango und Tango auf Krankenschein womöglich nur eine Episode der 60er bis 80er Jahre gewesen ist. Längst ist das Wort »Kur« aus allen Leistungsgesetzen getilgt.
»Medical Wellness« nennt der Deutsche Heilbäderverband sein mehrfach gewandeltes Konzept weg von allzu esoterischen, hin zu handfesten Gesundheitsdienstleistungen. Damit will man hierzulande und nicht nur jenseits von Afrika leistungsgerechte »Produktlinien« anbieten, durch Heilen und Lindern von allerlei Leiden befreien.
Sanfte Wellness könne nie an Stelle der Prävention, der medizinisch erforschten und begründeten Vermeidung von Krankheit treten, betonen die Schulmediziner. Dennoch bleiben Sebastian Kneipp und seine fünf Elemente Wasser, Kräuter, Bewegung, Ernährung, Ordnung aktuell - auch weil der Gast es schätzt und so wünscht.
»Tue Deinem Leib Gutes, damit Deine Seele Lust hat, darin zu wohnen«: Teresa von Avila hat im 16. Jahrhundert das vorgegeben, was gemäß Professor Fritz H. Kemper, Universität Münster, bis heute die deutschen Bäder am Wachstumsmarkt positioniert. Dabei widmen sich die Badeärzte auch ergänzenden Therapien, zumal ihre Patienten nicht nur daran glauben, sondern - mitunter unerklärlich - auch Heilung darin finden.
Ob Aromatherapie, Ayurveda, Enzymtherapie, Homöopathie, Kampo-Medizin, komplementäre Krebstherapie, tibetische Medizin oder Umstrittenes wie Heilen mit Edelsteinen, Elektroakupunktur, Reiki und Geistheilen: Jede Form findet in bestimmten Sanatorien oder Gesunheitszentren ihren Platz. Allein der Therapieerfolg zählt, spricht sich herum und fördert die Kur.
Bliebe die vielfach verpönte Jagd, die einst stets tödlich endete. Sie steht für das gesellschaftliche Element eines Gesundheitsaufenthaltes in anregender Umgebung. Hierzulande können es nicht Afrikas Großsäuger und auch nicht mehr die Hatz mit der Hundemeute sein. In Zukunft treten Dinge wie Golf, Meditation und Kulturevents an deren Stelle. Reinhard Brockmann

Artikel vom 12.11.2005