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Königin der Kleider machte die Mode

Legendäre Verlegerin Aenne Burda ist im Alter von 96 Jahren in Offenburg gestorben

Von Jürgen Ruf
Offenburg (dpa). Schnittmuster begründeten ihren Erfolg. Aenne Burda hat mit den Arbeitsanleitungen auf großen und kleinen Bögen die »Mode zum Selbermachen« etabliert. Die gebürtige Offenburgerin schuf das größte Modezeitschriften-Imperium der Welt. Anne Burda ist gestern im Alter von 96 Jahren in Offenburg gestorben.

Magdalena Lemminger (später Burda) wurde am 28. Juli 1909 als Tochter eines Lokomotivführers geboren, sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Besuch einer Klosterschule und einer kaufmännischen Lehre im örtlichen Elektrizitätswerk lernte sie 1930 den Drucker und Verleger Franz Burda kennen, ein Jahr später wurde geheiratet. Nach dem Krieg strebte die »Königin der Kleider« nach eigener Verantwortung. 1949 übernahm sie einen kleinen Modeverlag und baute diesen zum größten Fachverlag für Modepublikationen aus. Aenne Burda avancierte zu einer bekannten Großverlegerin und war eine der wenigen Frauen, die das deutsche Wirtschaftswunder prägten.
»Mein Ziel war es, praktische und für breite Bevölkerungskreise erschwingliche Mode zu vertreiben«, sagte Aenne Burda später. »Burda Moden« erschien erstmals 1950. Zwei Jahre später begann die Produktion der noch heute bekannten Einzelschnittmuster. Es folgten unter anderem der Saison-Modeführer »Burda-International« und das »Burda-Kochstudio« sowie in den 70er und 80er Jahren die Modehefte »Carina«, »Anna« und »Verena«. Absatz fanden auch die Spezialhefte zum Stricken und Häkeln, zum Selbermachen von Puppen, zur Schulkindermode oder zum beliebten Weihnachtsbasteln.
Noch vor dem Fall der Mauer überwand die Verlegerin und Herausgeberin zahlreicher Titel den Eisernen Vorhang und brachte 1987 »Burda Moden« als erste westliche Zeitschrift in russischer Sprache in der damaligen Sowjetunion auf den Markt. Damit legte sie den Grundstein für die internationale Entwicklung des Burda-Konzerns. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher würdigte die Pioniertat mit den Worten: »Sie haben mehr geleistet als drei Botschafter vor Ihnen.« Die seit 1986 verwitwete Verlegerin erklärte ihren Erfolg so: »Die Mode ist nicht nur eine Sprache, die man auf der ganzen Welt versteht, sie stellt auch eine Weltmacht dar.«
Trotz ihres Erfolges trat Aenne Burda in der Öffentlichkeit bescheiden und ohne Allüren auf. Zur Arbeit fuhr sie lange mit einem VW Käfer. Mit ihrem Geburtsort Offenburg blieb sie ihr Leben lang fest verbunden. Mit zwei Stiftungen förderte sie den Hochschulnachwuchs sowie die Seniorenarbeit in ihrer Heimatstadt. 1989 wurde sie Ehrenbürgerin der heute knapp 59 000 Einwohner zählenden Stadt. Im vergangenen Jahr, zum 95. Geburtstag, benannte Offenburg eine Straße nach Aenne Burda.
45 Jahre lang stand Aenne Burda, die für ihr Engagement mehrfach, zuletzt 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz mit Stern, ausgezeichnet wurde, an der Spitze ihres Verlages. 1994 wurde der Modeverlag Aenne Burda KG mit Sitz in Offenburg in den Burda-Medienkonzern integriert. Den Verlag übergab Aenne Burda ihren drei Söhnen Franz, Frieder und Hubert zu gleichen Teilen. Franz und Frieder verkauften ihre Anteile an Hubert Burda, der das Management übernommen hat.
Nach ihrem Rückzug aus dem täglichen Geschäft widmete sich Aenne Burda intensiv ihrem großen Hobby, der Malerei. Ihrem Ruhestand gab sie das Moto: »Alt werden ist Gottes Gunst, Jung bleiben ist Lebenskunst.« Am Verlagsgeschehen nahm Aenne Burda bis zuletzt Anteil, sie trat regelmäßig in der Öffentlichkeit auf. »Ich habe gelernt, mit jungem Herzen alt zu werden und mir die Lebensfreude zu erhalten«, sagte sie im Sommer 2004. Zudem kümmerte sie sich um ihre Familie, um ihre Enkel und Urenkel.
Der von Hubert Burda geleitete Medienkonzern verlegt heute nach eigenen Angaben weltweit 239 Titel und erwirtschaftete 2004 einen Umsatz von 1,48 Milliarden Euro. Zu den Flaggschiffen gehören »Focus« und »Bunte«. In Deutschland residiert Burda neben Offenburg in München, Berlin und Hamburg.

Artikel vom 04.11.2005