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Physik-Herbstakademie zu Einstein war ein Renner

Hunderte von Anmeldungen erfordern zweiten Termin

Bielefeld (sas). Seine Zeitgenossen haben Einstein vorgeworfen, alles zu relativieren. Grundbegriffe hat er auf den Kopf gestellt, und was als absolut (sicher) galt, hat er umgestoßen. Hätte er das aber nicht getan, haben die Physikprofessoren Dr. Reinhart Kögerler und Dr. Günter Reiss gestern vor gut 130 Schülern verdeutlicht, dann gäbe es weder Solarzellen noch das GPS, das Global Positioning System, das eine genaue Ortung erlaubt.

Erneut hatte die Physikfakultät Oberstufenschüler zur Herbstakademie mit Vorträgen und Laborbesuchen eingeladen und sie im Einstein-Jahr passend unter das Motto »Einsteins Erbe« gestellt. Mit 100 Anmeldungen hatte Organisator Dr. Jan Schmalhorst gerechnet, 500 Schüler wollten dabei sein. Denen, die gestern nicht zum Zuge kamen, zum Trost: Es wird am 21. Februar eine Wiederholung für 400 Teilnehmer geben. Die schlechte Nachricht: 320 Plätze sind schon weg. Die Physiker, die für ihr Fach werben möchten, freut's. So groß wie lange nicht mehr, so Kögerler, ist der Zulauf.
Ihren Standort, erklärte der Physiker, der über das Satelliten-Navigationssystem GPS sprach, konnten die Menschen schon vor Jahrtausenden bestimmen. »Es geht immer nach demselben Prinzip: Es wird der Abstand von Fixpunkten gemessen.« Im dreidimensionalen Raum sollten das mindestens drei Referenzpunkte sein. Tatsächlich bewegen sich um die Erde 24 Satelliten auf sechs Umlaufbahnen - auf denen sie, wie ein Schüler wusste, durch die Zentripetalkraft gehalten werden.
»Eine Grundvoraussetzung, damit GPS funktioniert, ist, dass in diesen Satelliten alle Uhren synchronisiert sein und gleich schnell gehen müssen«, erklärte der Physiker. Und hier kommt Einstein ins Spiel. Der nämlich hat 1905 und 1936 in der Speziellen und der Allgemeinen Relativitätstheorie festgestellt: Bewegte Uhren gehen relativ zu ruhenden schneller. Und: Je weiter entfernt sie von der Masse - in diesem Fall: die Erde - sind, desto schneller gehen sie.
Am Beispiel eines sich in einem bewegenden Zug bewegenden Menschen sowie eines Lichtstrahls im bewegenden Zug verdeutlichte Kögerler die Gedankenexperimente Einsteins und lud in bester Einsteinscher Tradition zum Grübeln ein (»Jetzt müssen wir nachdenken!«), um zum Schluss zu kommen: Zeit ist nicht absolut. Wenn aber die bewegte Uhr langsamer geht (einschließlich der Körperuhr, woraus der Physiker zum Amüsement des Plenums schloss: »Bewegung hält jung!«), dann müssen die Satellitenuhren korrigiert werden - damit GPS den Benutzer nicht an der Voltmannstraße wähnt, obgleich er schon in Werther ist. Sehr interessant fand Zwölftklässler Dennis den Vortrag - und überlegt durchaus, Physik zu studieren.

Artikel vom 04.11.2005