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Show-Debatte über
Noten für Professoren

Amüsanter verbaler Schlagabtausch mit Studenten

Bielefeld (sas). Dass Professoren vehement für eine Benotung ihrer eigenen Zunft votieren und Studenten sich energisch dagegen aussprechen, dürfte wohl ungewöhnlich sein - ist aber gestern in der Universität geschehen. Der Debattierclub der Hochschule hatte genau diese Konstellation vorgegeben, und drei Professoren und drei Studenten schlugen sich die Argumente Pro und Contra um die Ohren.

Rhetorisch in Jahren und Jahrzehnten geschult war die Seite der gestanden Wissenschaftler, vertreten durch den Historiker (und Träger des Cicero-Rednerpreises) Hans-Ulrich Wehler, den Jugendforscher Klaus Hurrelmann und den Juristen Hans Schulte-Nölke. Ihnen gegenüber saßen mit Bernhard Freund, Marcel Raschke und Christian Heidfeld drei angehende Juristen, die ja auch später vor Gericht eloquent und mit geschliffenen Worten agieren müssen. Moderiert wurde der verbale Schaukampf von Ingo Hahn und Kai Mürlebach, die Debattanten wurden von Alice Trabant und Maja Walter vorgestellt.
»Das kann ja nicht Ihr Ernst sein«, unterstellte Wehler am Ende der Show-Debatte der studentischen Seite und kritisierte ihre intellektuelle Demutsgebärde, mit der sie eine Benotung der Professoren abgelehnt hätten. Nein, ihr Ernst war es in der Tat nicht: Sinn der Debatten ist vielmehr, die freie Rede zu lernen - und das Zuhören und Reagieren. Dabei erfolgt der Schlagabtausch nach festen Spielregeln: Die Regierung - hier passenderweise die Professoren - stellt einen Antrag, der gestern auf »Noten für Profs« lautete. Sieben Minuten hat der erste Redner Zeit, um seine Argumente darzulegen. Es folgt die (ebenfalls siebenminütige) Gegenrede, an die sich im Wechsel weiter die Pro- und Contrapositionen anschließen.
Wünschenswert, so Wehler, sei durchaus, dass die Professoren »eine Brustbreite Vorsprung vor den Studenten« hätten. Die Tatsache aber, dass sie immer das letzte Wort hätten, verführe durchaus zu Selbstgerechtigkeit. Warum also nicht als Regulativ Bewertungen durch die Studenten? Die, so seine Erfahrung aus den USA, könnten durchaus auch ein Berufungskriterium für Wissenschaftler sein.
Die Studenten sahen hingegen die Schwierigkeit, Inhalte der Lehrveranstaltungen zu bewerten und das Problem sehr subjektiver Kriterien (»Nettes Lächeln, süßer Po?«), fürchteten um die Freiheit von Forschung und Lehre und als Ergebnis eines »Evaluationsfiebers« die Streichung von Mitteln, weil schlechte Noten Politkern Argumente böten. Auf der Strecke der weiter überbordenden Bürokratie bleibe auch die Freiheit für Freigeister. Und: Noten seien keine Garantie für bessere Lehre - angesichts voller Hörsäle.
Hurrelmann argumentierte hingegen, dass Noten ein punktgenaues Instrument und ein deutliches Signal für Professoren seien - und durchaus die Beziehungen stärkten. »Die alte Pädagogik hat immer gewusst, was Noten sind.« Für nicht akzeptabel hielt auch Schulte-Nölke das »Wir können es nicht, es geht nicht, es nutzt nicht.« Und weil er gerade so schön in Fahrt war und just seine leisen Töne kamen, verweigerte er zur Gaudi des Publikums Zwischenrufe und drehte vielmehr den Spieß um: »Was, wenn wir uns auch weigern würden, Studenten zu benoten?« Lebhaft, witzig, zuweilen ironisch und bissig war die Debatte, bei der Hurrelmann das letzte Wort hatte: »Sie tun so, als ob wir das ernst nähmen!!«

Artikel vom 04.11.2005