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Roland Baader,deutscher Nationalökonom

»Es gibt nur eine Gerechtigkeit, soziale oder sonstige Spezial-Gerechtigkeit gibt es nicht.«

Leitartikel
Berliner Zahlensprünge

Der Schädel
brummt, mehr
vorerst nicht


Von Rolf Dressler
Wie war das noch mit der Beschwörung von Redlichkeit, Gerechtigkeit und Vertrauensschutz?
In diesen Deutschland-Tagen der Viertel-, Halb- und SonstwieWahrheiten braucht der ohnmächtige Bürger Nerven wie Drahtseile. Hat er sie nicht und brummt ihm der Schädel, greift er zum letzten Mittel, er schaltet auf Durchzug und tut seiner Gesundheit zumindest damit etwas Gutes.
Brummschädel-Thema Nummer 1 natürlich das liebe Geld, das Geld und nochmals das Geld, leichtfertig verwirtschaftet schon über Jahre und Jahrzehnte hin. Hinausgeworfen oft auch in Fässer ohne Boden - diesseits oder jenseits unserer Landesgrenzen. Alle Beteiligten, ob sie nun gerade regierten oder auf den Oppositionsbänken saßen, wissen selbstverständlich seit langem um die rasende Talfahrt jener Staatsfinanzen, die niemand anderer als wir Steuerbürger erarbeitet und sie den Politikern treuhänderisch anvertraut. Wobei die Betonung auf »treu« liegt. Denn Veruntreuung ist bzw. wäre bekanntlich strafbar.
Noch bis Donnerstag war von einem 35-Milliarden-Loch die Rede. Nun hingegen - wer bietet mehr? - werden in Berlin auch schon mal um die 70 Milliarden gehandelt. Und so dürfte es noch eine Weile munter weitergehen.
Gewiss, alles auf einmal schaffen selbst die hellsten Köpfe nicht. Aber wer die unerlässlichen Umbauten an Systemen und Strukturen ausklammert, türmt die schweren Zukunftshypotheken nur noch höher auf. Als da wären:
- Bundestag und Länderparlamente sollten endlich erheblich verkleinert werden,
- desgleichen die Zahl der bisher 16 Bundesländer, am besten mitsamt einiger ihrer Funk- und Fernseh-»Haussender«.
- Die Eindämmung des Milliarden teuren massenhaften Sozialbetruges bis hin zum kriminellen Missbrauch von Krankenversicherten-Chipkarten kann ja wohl nicht im Ernst daran scheitern, dass Arztpraxen und Krankenversicherungen nicht abwehrwirksam miteinander vernetzt sind.
- Und ein dicker Jahrhundert-Brocken: Es spricht allen Beteuerungen von Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit hohn, wenn nun auch die angehenden Berliner Großkoalitionäre dem Heer der Staatspensionäre »wohlerworbene Ruhegeld-Rechte« zubilligen, nicht aber den »BfA«-Rentnern, also Angestellten und Arbeitern, die auf unabsehbare Zeit finanziell dramatisch werden bluten müssen.
Auch deshalb übrigens müsste man den Einfluss von Lobbyisten dringend auf Normalmaß zurückzwingen. Etwa bei einer nicht gerade klassisch demokratischen Personalunion von Verbandsgeschäftsführung und Abgeordnetentätigkeit.
Nur, wer fasst diese Eisen an?

Artikel vom 05.11.2005