05.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Böser Fluch lastet auf Franzi

Münchener »Tatort« spielt diesmal in der Welt der wandernden Gesellen

Von Carsten Rave
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr: Eine eigene Welt mit fast eigener Sprache, ein Milieu, in das sich die »Tatort«-Kommissare erst einfinden müssen. Das sorgt für Spannung, und die ist angesagt beim »Tod auf der Walz«.

Auf die Walz zu gehen, ist eine Jahrhunderte alte Handwerker-Tradition. Drei Jahre müssen sie durch die Lande ziehen, dürfen in der Zeit nicht nach Hause zurückkehren. Mittlerweile ist auch Frauen das »Tippeln« gestattet. Früher galt diese Sitte jedoch nur für Männer, die mit Schlapphut oder Zylinder und »Koks«, dem kragenlosen Hemd, loszogen. Wer seinen »Krauter«, den Meisterbrief, haben wollte, musste drei Jahre auf Wanderschaft gehen, durfte nicht verheiratet und nicht vorbestraft sein. Der bayerische Beitrag hat übrigens eine Verbindung nach Ostwestfalen: Die Zimmermannskleidung der Schauspieler stammt nämlich von der Zunftkleidungsfirma FHG aus Spenge.
In »Tod auf der Walz« verlässt der Handwerksbursche Mario Leitgeb (Tristano Casanova) verlässt »Mam« (Johanna Bittenbinder) und geht mit dem erfahrenen Gerry Neuner (Maximilian Brückner) auf die Wanderschaft. In München finden sie beim Bauunternehmer Pirner (Anton Rattinger) Arbeit und Brot. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Bauunternehmer trennen sich ihre Wege. Dennoch setzt sich Gerry für Marios Aufnahme in die Zunft ein.
Nach dem feierlichen Ritual im Wirtshaus von »Vadder« Kolo Koydl (Elmar Wepper) erscheint auch die hübsche, wandernde Handwerksgesellin Franzi Brandl (Lisa Maria Potthoff). Wie Mario stammt sie aus dem bayerischen Ort Wurmannsreuth. Doch der junge Mann erkennt: Franzi hat nur Augen für Gerry. Wenig später wird Mario unter der Großhesseloher Brücke ermordet aufgefunden.
Die Münchner Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec), Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Carlo Menzinger (Michael Fitz) stehen vor der Aufgabe, im Umfeld der traditionsreichen Handwerkszunft nach einem Mörder zu suchen - unter Männern, die eine fremdartige Sprache sprechen und sich ehrwürdigen, geheimen Riten verpflichtet fühlen. Und es kommt noch schlimmer: Auf Franzi Brandl lastet ein alter Fluch.
Drehbuchautor Markus Fenner spricht davon, in eine »faszinierende Welt« eingetaucht zu sein. »Diese ganz autarke, nach außen eher abweisende Spezialwelt mit ihren bis zu den Zünften und zum fahrenden Volk des Mittelalters zurückreichenden Wurzeln, die ihre Sprache, ihren Verhaltenskodex und ihre Gebräuche bewahrt und sich trotzdem in unserer industrialisierten Welt vital behauptet«, habe er als spannend empfunden.
Auch von Kritikern wurde der Film im Vorfeld gelobt: »Dieses Krimi-Werk hat goldenen Boden« hieß es beispielsweise. »Ein ÝTatortÜ, mit Sentiment von Martin Enlen inszeniert, der mit Humor und Spannung in eine fremde Welt eintaucht und den Zuschauer über längst vergessen geglaubte Berufsrituale aufklärt«, urteilt Ulrich Spies, Referent beim Adolf Grimme Preis in Marl.

Artikel vom 05.11.2005