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Als würde man ihr begegnen...

Büchner-Preis an Brigitte Kronauer

Von Carola Große-Wilde
Darmstadt (dpa). Die Hamburger Schriftstellerin Brigitte Kronauer (64) wird an diesem Samstag mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Die renommierteste deutsche Literaturauszeichnung ist mit 40 000 Euro dotiert.

Für Literatur-Kritiker Marcel Reich-Ranicki ist Brigitte Kronauer »die beste Prosa schreibende Frau der Republik«. Und auch andere Rezensenten überschütten die in Hamburg lebende Schriftstellerin förmlich mit Lob. »Über den diffusen Zustand der Wirklichkeit, ihren Rollentausch mit der Fiktion und die zeitgenössischen Orientierungsprobleme der Literatur kann man sich kaum intelligenter und raffinierter äußern, als Brigitte Kronauer es tut«, heißt es beispielsweise.
Wenn man die Elbchaussee entlangfährt, vorbei an herrschaftlichen Villen, die Elbe und die Hafenanlagen blitzen zwischen den vorbeiziehenden Bäumen hervor, dann meint man, ihr gleich zu begegnen. So anschaulich und zugleich poetisch hat die zierliche blonde Frau die Gegend, in der sie mit ihrem Ehemann in einem Klinkerhäuschen wohnt, in ihrem Roman »Teufelsbrück« (2000) beschrieben. Da wird das Elbe-Einkaufs-Zentrum (EEZ) zu einem Ort der schicksalhaften Begegnung. Und Protagonistin Maria Fraulob von nun an magisch ins alte Land auf die andere Seite der Elbe gezogen, wohin sie von Teufelsbrück nach Finkenwerder übersetzt.
Aufgewachsen in einem bürgerlichen Elternhaus im Ruhrgebiet nach dem Krieg (»Wir hatten wenig zu essen, aber es war trotzdem eine glückliche Kindheit«), träumte Brigitte Kronauer schon als kleines Mädchen davon, Schriftstellerin zu werden. »Ich habe von klein auf gerne Geschichten geschrieben«, erzählt sie. Die Welt der Literatur habe sie magisch angezogen. Bereits als 16-Jährige schreibt sie Hörspiele und schickt Geschichten an Verlage. »Um unabhängig zu sein« wird sie jedoch nach dem Germanistik-Pädagogik-Studium in Köln/Aachen zunächst Lehrerin in Aachen und Göttingen. »Ich wollte von Anfang an eine avantgardistische Schriftstellerin werden, da brauchte ich finanziellen Rückhalt«, sagt sie selbstbewusst.
Nach drei Bänden mit kurzen Prosastücken in den 70er Jahren kam mit ihrem ersten Roman »Frau Mühlenbeck im Gehäus« (1980), in dem sie zwei unterschiedliche Frauenleben aufeinander prallen lässt, der große Durchbruch. Schon an ihrem Debütroman lobten die Kritiker sprachliche Kunstfertigkeit, Sicherheit des Stils und Originalität der Beobachtung. Der 1990 erschienene Roman »Die Frau in den Kissen« schloss die mit »Rita Münster« begonnene und mit dem »Berittenen Bogenschützen« fortgesetzte Trilogie zum Thema Emanzipation ab. Für »Teufelsbrück« (2000) erhielt Kronauer 2003 den Grimmelshausen-Preis und für ihren Roman »Verlangen nach Musik und Gebirge« (2004) den Bremer Literaturpreis.

Artikel vom 01.11.2005