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Von Peking an den Teutoburger Wald

Kai Yang studiert an der Uni BWL - und liebt deutschen Kuchen


Bielefeld (sas). Eines der ersten Aha-Erlebnisse hatte Kai Yang, als er in Deutschland an einem Sonntag einkaufen wollte: »Ich habe gelernt, dass die Geschäfte hier nur tagsüber geöffnet sind und am Wochenende, an Feiertagen und am Abend geschlossen sind«, erzählt der 25-Jährige. In seiner Heimat ist es genau anders herum: »Denn am meisten Geld verdienen die Geschäftsleute an den Feiertagen. Dann geben alle mehr aus.«
Kai Yang kommt aus China, genauer: aus der Millionenstadt Peking; weswegen ihm Bielefeld klein, gemütlich und beschaulich vorkommt. »Bei uns sind einfach überall viele Menschen.« Seit vier Semestern studiert er an der Universität Bielefeld Wirtschaftswissenschaften, ist gerade von der Volks- zur Betriebswirtschaftslehre gewechselt.
Sprachprobleme hat Kai Yang nicht: Bevor er an den Teutoburger Wald kam, hat er erst in Radolfzell, danach in München Sprachkurse absolviert. Im September vor zwei Jahren hat er dann in Bielefeld den obligaten Deutschtest bestanden und das Studium aufgenommen. Finanziert wird sein Deutschlandaufenthalt von seinen Eltern. »Sie müssen dafür sparsam sein«, ist sich Kai Yang bewusst. Um selbst einen Beitrag zu leisten, hat er daher im vergangenen Sommer in einer Fabrik gearbeitet.
Kai Yang ist Einzelkind - wie fast alle seiner Generation. »Seit 1979 gilt bei uns das Motto: eine Familie, ein Kind.« Derzeit wird diese Regel etwas gelockert: »Wenn zwei Einzelkinder heiraten, dürfen sie zwei Kinder haben.« Für ihn erstaunlich: »In Deutschland bedeuten Kinder Steuerermäßigung, bei uns ist es umgekehrt.« Dabei werde die Alterspyramide allmählich auch in China ein Problem.
Einsam fühlt sich Kai Yang in Bielefeld nicht: Unter die Fittiche genommen hat ihn in Bielefeld ein ehemaliger Berufsschulleiter, dessen Bekannte Kai in China kennenlernte, als sie dort einen Sprachkurs besuchte. Außerdem trifft er sich regelmäßig mit Kommilitonen aus seiner Heimat - unter anderem zum gemeinsamen Kochen. »Das meiste, was ich dafür benötige, gibt es im Supermarkt.« Am liebsten bereitet der 25-Jährige Glasnudeln zu: »Das spart Zeit und Arbeit«, denkt er schon ganz ökonomisch. Gerne isst er auch Sauerkraut - ein typisch chinesisches Gericht. »Ich war erstaunt, dass es das hier auch gibt und dass es als typisch deutsch gilt.« Und neben Schweine- und Geflügelfleisch hat es ihm der Kuchen angetan: »Der ist in Deutschland einfach gut.« Käse- und Schokokuchen liebt er, von Bienenstich schwärmt der 25-Jährige. Und überhaupt: Erdbeer- und Pflaumenkuchen mit einem anständigen Klecks Sahne...
Mit Blick in die Zukunft meint Kai, der bereits ein Diplom in russischer Sprache und Literatur in der Tasche hat, dass er am liebsten für ein deutsches Unternehmen mit einer Filiale in China arbeiten würde. Der angehende Ökonom plädiert für eine Öffnungspolitik seiner Heimat: »Wenn China sich wirtschaftlich entwickeln will, brauchen wir viele Kontakte und können uns nicht abschotten.« Der Gedanke an Umweltschutz spielt im Reich der Mitte noch keine große Rolle: »Vielleicht in zehn Jahren, wenn man sich das leisten kann. Immerhin studieren immer mehr junge Leute dieses Fach - mit guten Karriereaussichten.« Die hat sicher auch der 25-Jährige: Denn sein Vorname Kai ist ein sprechender. »Er hat die Bedeutung: eine gute Zukunft haben.«

Artikel vom 18.11.2005