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Hausarbeiten sind nicht nur lästig

Sie verlangt Unmengen an Zeit, Papier und Druckertinte. Die meisten Studenten können sich besseres vorstellen, als in ihren Semesterferien eine Hausarbeit zu schreiben. Sie brauchen Wochen für die Fertigstellung, der Dozent Stunden für die Korrektur. Im Idealfall gibt es eine gute Note - damit ist das Thema abgehakt. Doch stimmt das wirklich? Finden die Bielefelder Studenten Hausarbeiten wirklich so lästig? Laura-Lena Förster fragte nach.

Natalja Riedel hat zwar gerade erst mit dem Studium begonnen, doch sie weiß bereits: lieber Klausur als Hausarbeit. »Das soll einfacher sein«, hat die 19-Jährige, die später Geschichte und Mathematik unterrichten möchte, gehört. Ihre einzige Erfahrung mit längeren Texten rührt aus Schulzeiten. Um die obligatorische Facharbeit kam auch die Gütersloherin nicht herum. »War aber nicht weiter schlimm.«
Auch Martina Schubert kennt nur die abgespeckte wissenschaftliche Arbeit aus der Oberstufe. Diese zu verfassen, hat ihr Spaß gemacht. Vor allem, weil das Thema interessant war: »die Wirkung von Koffein aus biologischer Sicht«. Vor den mindestens zwei Hausarbeiten, die sie zum Semesterende erwarten, hat die 19-Jährige deshalb keine Angst. »Außerdem wird uns in den Tutorien genau erklärt, was wir beim Schreiben beachten und an welche Formalien wird uns halten müssen“, erzählt die junge Frau aus Oelde, die Geschichte und Sozialwissenschaft studiert.
Ihrem Kommilitonen Cristian Dicks aus Bünde geht es ähnlich. Er hat keinen Bammel vorm Tippen. Der 20-Jährige hofft sogar, öfter Gelegenheit zum Schreiben einer Hausarbeit zu bekommen. »Um so besser sind wir auf unsere Bachelor-Arbeit vorbereitet«, sagt der Philosophie- und Geschichtsstudent. »Für Klausuren lernt man doch häufiger nur für den Moment.« Dass einige Professoren dennoch diese Form des Leistungsnachweises bevorzugen, kann er nicht verstehen.
Aus freien Stücken setzt Jochen Holzki sich nicht an den Computer. Protokolle und Ausarbeitungen muss der 21-Jährige in seinem Physik-Studium abliefern. Er glaubt schon, eine Menge zu lernen, findet den Prozess aber doch sehr arbeitsaufwändig. »Ich fange eher auf den letzten Drücker mit dem Schreiben an«, sagt der Löhner. »Natürlich wäre es besser, früher anzufangen...«
Helena Tews ist da schon disziplinierter. An ihre Diplomarbeit in Biologie hat sie sich rechtzeitig gesetzt. Und die Zeit doch als sehr stressig empfunden. »Es war schon eine gewaltige Menge an Material, die ich bewältigen musste«, erzählt die 27-Jährige, die jetzt, nach ihrem Abschluss, gerne promovieren möchte. »Die Ergebnisse waren noch das einfachste. Am längsten hat es gedauert, die Methoden zu beschreiben.« Zwei bis drei Monate, wusste sie von Kommilitonen, werden nur fürs Schreiben gerechnet. Insgesamt widmete sie sich ein Jahr lang ihrer Diplomarbeit.
Was sie erreicht hat, steht Kerstin Mayer noch bevor. Sie befindet sich mitten in der Endphase ihres Biologie-Studiums. Hausarbeiten wurden von ihr nicht verlangt, wohl aber Klausuren und Protokolle - letztere bis zu 20 Seiten lang. »Es hat schon geholfen, mehrere zu verfassen«, sagt die 25-Jährige. »Denn die Diplomarbeit ist zumindest von der Struktur her ähnlich.«
Für Dennis Selent beginnt der Weg zur Bachelor-Arbeit mit einem Kompromiss. Er schreibt keine eigene, sondern eine Gruppenhausarbeit, vermutlich über Immigrationsprobleme im Zuge der EU-Ost-erweiterung. Zwölf bis 15 Seiten soll das Werk am Ende zählen, der 19-Jährige wird drei bis vier Seiten liefern, was er als durchaus machbar und im Übrigen auch sinnvoll betrachtet. »So werden wir allmählich an das Schreiben herangeführt«, meint der Politikstudent aus Gütersloh.
In der Gruppe arbeiten muss und wird auch Laurence Thio. Damit hat er keine Probleme, wohl aber mit der Art und Weise, wie er sich zum Europäischen Gesetzgebungsprozess und der Demokratiezufriedenheit ausdrücken soll. Der 20-Jährige ist eine journalistische, keine wissenschaftliche Schreibe gewohnt. Aus Berlin stammend, liefert er dem »Tagesspiegel« ab und an Beiträge. »Das ist schon eine Umstellung. Jetzt kommt es auf andere Kriterien als einen knackigen Einsteig an.«
Hausarbeit oder Klausur: Alexander Scholz (23) entscheidet sich für ersteres. An der Uni hat er zwar noch keine geschrieben und wird es vorerst auch nicht tun, die Facharbeit am Gymnasium hat ihm aber durchaus gefallen. »Schreiben macht einfach mehr Spaß als für Klausuren zu lernen«, so die Erfahrung des jungen Lagensers. Im zweiten Semester wird er dazu wieder Gelegenheit an. Dann steht sein erster Text rund um und zur Sportwissenschaft an.
Wann es für Olga Wlasow so weit ist, weiß sie noch nicht. Am Ende dieses Semesters muss die 20-Jährige aus Hameln sich die Finger jedenfalls noch nicht wund schreiben. »Dafür ist keine Zeit, denn wir müssen in den Ferien unser erstes Praktikum absolvieren«, sagt sie, deren Berufswunsch Mathe- und Geschichtslehrerin ist. Obgleich: In ihrem geisteswissenschaftlichen Fach hatte sie die Wahl zwischen Hausarbeit und Klausur. »Ich habe mich für den Test entschieden. Der geht schneller und macht weniger Arbeit.«

Artikel vom 08.11.2005