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Ein Brückenbauer,
der Grenzen überwindet

Abschiedskonzert: Johannes Vetter sagte »Adieu«


Von Uta Jostwerner
Bethel (WB). Schmerz und Erlösung, Abschied und Aufbruch - so wie bei Johannes Vetter während seiner Zeit als Kantor der Zionskirche stets alles in einem inneren Zusammenhang stand, so thematisch durchdacht wirkte auch sein Abschiedskonzert, mit dem der 53-Jährige in der ihm typischen Handschrift »Adieu« sagte.
Noch einmal führte die musikalische Reise zu Orten, die ihm allzeit von Bedeutung waren. Von Altmeister Bach über avantgardistischen Neutöner Juan Allende-Blin, vom Jazz (gemeinsam mit Andreas Gummersbach am Saxophon) bis hin zur freien Improvisation. Typisch Vetter, wenn er den Bogen mit Ernst, aber ohne falschen Pathos, mit Witz, aber ohne Ironie spannt.Vielmehr betätigt er sich als Brückenbauer, als jemand, der Grenzen überwindet und Gemeinsamkeiten zwischen scheinbar Gegensätzlichem aufzeigt.Tabus und Berührungsängste sind ihm dabei fremd.
»Mein blaues Klavier« etwa, 1969/70 von Allende-Blin für Orgel, Drehorgel und Maultrommel komponiert, vereint in geräuschhafter Klang-Kulisse die gegensätzlichsten Instrumente und entpuppt sich als reizvolles Hörabenteuer.
Im Zentrum deckt Johannes Vetter gar Verbindungslinien zwischen Johann Sebastian Bach und Arnold Schoenberg auf. Mit bewegter Impulsivität setzt er Schoenbergs Fragment einer Orgelsonate in einen Dialog zu Bachs Choralvariationen über Wolfgang Dachsteins »An Wasserflüssen Babylon«, einer Nachdichtung des 137. Psalms. Exilthematik, mal als barockes Gespinnst dicht beieinander liegender Stimmen, mal als Versuch, die Schwerkraft der Grundtonbezogenheit in die Schwerelosigkeit der Zwölftonmusik zu übertragen. Mit Orgelklassikern wie Bachs »Präludium und Fuge in Es-Dur«, Mendelssohn Bartholdys »Orgelsonate A-Dur« und Liszts Variation über »Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen« empfahl sich Vetter einmal mehr als Kenner seines Fachs, ehe das Abschiedskonzert nach kleinem Imbiss mit heiter Beschwingtem ausklang.
Vetter sagte freilich nicht Adieu, ohne das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und um eine Spende für den Orgelneubau an Sant' Anna zu bitten.

Artikel vom 01.11.2005