01.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zu Allerheiligen

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


»Gott, du allein bist heilig, dich ehren wir, wenn wir der Heilige gedenken.«
Die umfänglichsten Zusammenstellungen über das Leben von Heiligen sind in den letzten Jahren von einem evangelischen Christen geschrieben worden. Walter Nigg hat wie kaum ein anderer den Reichtum des Glaubenszeugnisses dieser Menschen erschlossen.
Die Kirche hat seit ihren Anfängen Mühe gehabt, die Fülle der Personen und Lebensgeschichten zu ordnen, die von den Gläubigen als Heilige verehrt wurden. Immer wieder hat sie im Laufe der Geschichte den Heiligenkalender »bereinigt«, denn unendlich groß ist allein schon die Anzahl derjenigen, die offiziell als Heilige in der Kirche verehrt werden. Wie unüberschaubar riesig ist erst die Zahl der Vielen, die zwar nicht von der Kirche eigens genannt werden, aber dennoch sicher das Leben im Himmel erreicht haben.
Heute ist ihr Tag! Allerheiligen ist das Fest, an dem sie alle in den Blick kommen! Dieses Fest fasst »erklärte« und »unerklärte«, heilig gesprochene und nicht eigens heilig gesprochene Menschen zusammen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie das Ziel des christlichen Lebens, also die Auferstehung und das Leben bei Gott erreicht haben.
In der Präfation, dem festlichen Lobgesang in den Heiligen Messen überall heute auf der Erde heißt es deshalb: »Es ist würdig und recht,É dich Vater mit der ganzen Schöpfung zu rühmen. Denn heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem. Dort loben dich auf ewig die verherrlichten Glieder der Kirche, unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind. Dorthin pilgern auch wir im Glauben, ermutigt durch ihre Fürsprache und ihr Beispiel, und gehen freudig dem Ziel der Verheißung entgegen.«
Der heutige Tag hat etwas von der großen menschlichen Sehnsucht an sich. Es ist Sehnsucht nach einer Heimat, von der wir wissen, obwohl wir sie noch nie gesehen haben. Um ein Bild aus der Natur zu entlehnen: Es geht uns mit dem Himmel wie den Zugvögeln bei ihrem Heimzug. Die Jungvögel haben zwar noch nie jene reichen Nahrungsgebiete in der Wärme Afrikas gesehen, wo sie dem sicheren Tod der hiesigen Winterkälte entgehen können. Trotzdem setzt die so genannte Flugunruhe bei gerade erst im Sommer geborenen Tieren schon deutlich vor den Altvögeln ein und irgendwann brechen sie ohne jede Begleitung auf und finden mit der uns unerklärlichen Sicherheit jene Heimat wieder, deren »Plan ihnen ins Herz gelegt« war.
Jeder Mensch ist auf dem Weg der Pilgerschaft in die eigentliche »Heimat«, die »heilige Stadt« Gottes, das »himmlische Jerusalem«. Gemeint ist mit diesen Bildern das endgültige Leben bei Gott, in seiner Gegenwart, die wir mit menschlichen Worten kaum beschreiben können. Jeder Mensch ist auf dem Weg dorthin, fast alle spüren diese Sehnsucht des Unerfüllten in ihrem alltäglichen Leben - aber Gott ist derjenige, der die Erfüllung allein schenken kann.
Als Heilige werden die Menschen bezeichnet, die dieses Ziel erreicht haben. Jesus hatte genug Kriterien genannt, mit denen wir an der Heiligkeit Gottes teilhaben können. Er hatte z. B. davon gesprochen, dass niemand eine größere Liebe habe, als wer sein Leben für seine Freunde hingibt. Er hatte auch aufgezählt, wer in den Augen Gottes selig sei - so die Friedensstifter und viele andere. So haben die Gläubigen diese Kriterien im Laufe der Jahrhunderte bei unzähligen Menschen erfüllt gesehen. Sie werden als Heilige verehrt und um Fürbitte vor Gott gebeten. Einige wenige wurden auch von der offiziellen Kirche der gemeinsamen weltweiten Beachtung empfohlen.
Heute ist der Tag, an dem sie alle zusammen in den Blick kommen. Deshalb wird bei der Messe weiter gebetet: »Wir glauben, dass deine Heiligen bei dir leben und dass Leid und Tod sie nicht mehr berühren. Erhöre ihr Gebet und lass uns erfahren, dass sie uns nahe bleiben und für uns eintreten.« Wagen Sie die Bitte um Fürsprache!

Artikel vom 01.11.2005