01.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Klangsinnliche
Begegnungen
mit dem Tod

Georg Gusia eröffnete Konzerttage

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit einem hochromantischen A-cappella-Chorkonzert hat der Kammerchor St. Jodokus die diesjährigen Bielefelder Konzerttage eröffnet. Unter Leitung von Georg Gusia zeigten die Sänger und Sängerinnen sichere Klanglichkeit und stilistische Haltung im anspruchsvollen Werkekanon.

Nicht zum erstem Mal bot sich Gelegenheit, die hochstehende Singkultur, die Artikulations- und Tonreinheit und die schöne Stimmbalance - diesmal allerdings mit herausragenden Sopranen - des Kammerchores bewundernd zur Kenntnis zu nehmen. Dazu gesellt sich eine enorme Stimmflexibilität, die es dem Chor ermöglicht, auch noch bei engmaschiger Doppelchörigkeit akzentuierend und dynamisch gestaltend zu agieren.
Neben Leiden und Erlösung im Tod bildeten Hoffnung und Gottvertrauen die thematischen Eckpunkte des geistlichen Konzerts, das, erweitert um zwei Orgelwerke, umfassend Gelegenheit zu Kontemplation und Meditation bot.
Mit Johannes Brahms' »Fest- und Gedenksprüche« für zwei vierstimmige Chöre eröffnete der Kammerchor sogleich glanzvoll. Bildhafte Ausschmückung und transparentes Klangbild zeichneten die Musik aus, die im Dreikaiserjahr 1888 komponiert wurden und als hymnenartige Sprüche zu nationalen Fest- und Gedenktagen gedacht waren. Komplizierte Kanontechniken und Fugenverfahren legte Brahms seiner Motette »Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz« zugrunde und es adelt den Chor, wenn er die innige Stimmung des Werkes hervorzauberte, ohne auch nur im mindesten über sing- und satztechnische Anforderungen zu stolpern. Gleiches gilt für Louis Spohrs Motette »Aus der Tiefen ruf' ich«. Auch die massiven Anforderungen Regerscher Tonkunst gereichten der Sängerschar in »O Tod, wie bitter bist du« zur Ehre: Abgründige Klage, schneidende Dissonanzen sowie schwebende Klänge kamen ebenso präzise herüber wie der choralartig fließende, versöhnliche Schluss. Rudolf Mauersbergers Trauermotette »Wie liegt die Stadt so wüst«, im August 1945 unter der Leitung des Komponisten in der Ruine der Dresdner Kreuzkirche uraufgeführt, förderte in ihre Schlichtheit die Erschütterung, Trauer und Lethargie zutage, die der Komponist und ehemalige Domkantor der Frauenkirche angesichts der Zerstörung der Stadt empfunden haben muss.
Dazwischen bot Wilfried Lensing mit Orgelwerken von Adolph Hesse und August Gottfried Ritter angenehm besinnliche wie spannungsreiche Momente. - Eine angetane Hörerschaft dankte mit lang anhaltendem Applaus.

Artikel vom 01.11.2005