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Gebet, Versenkung und etwas Klangbombast

Elisabeth und Rainer Schnippe begeisterten mit einer Marianischen Vesper in der Liebfrauenkirche

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit ihrer dreimanualigen Speith-Orgel besitzt die katholische Liebfrauenkirche ein echtes Juwel. 1941 von Albert Speith erbaut und 1999 umfassend erweitert und restauriert, fristete das kostbare Instrument lange Zeit ein Schattendasein.

Ein Arbeitskreis rund um Gemeindemitglied Marion Arnold hat sich nun zur Aufgabe gemacht, die als Konzertinstrument ausgerichtete Orgel wieder stärker zu positionieren.
Profil erhalten Instrument und die neuerliche Pflege der Kirchenmusik in der Gemeinde durch eine eigene Konzertreihe. Vier über das Jahr verteilte Veranstaltungen, bei denen profunde Musiker ihre Visitenkarte abgeben, sollen die nach romantischem Vorbild konzipierte Orgel ins rechte Licht rücken und nicht nur den Gemeindemitgliedern einen musikalischen Genuss bescheren.
Beim dritten Konzert der in diesem Jahr erfolgreich angelaufenen Reihe empfahl sich das Ehepaar Elisabeth und Rainer Schnippe mit einer Marianischen Vesper. Von der himmlischen Harmoniemusik einer Hildegard von Bingen spannten die beiden Musiker einen abwechslungsreichen Bogen über die Zeit des Barock bis hin zur Spätromantik und impressionistischen Strömungen. Gebet und Versenkung standen dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Auslotung der klanglichen Möglichkeiten der Orgel. In allem konnten Elisabeth Schnippe (Sopran) und Rainer Schnippe (Orgel) ihre technische Brillanz sowie große Musikalität und Stilempfinden eindrucksvoll unter Beweis stellen.
In den geistlichen Gesängen kann sich der reine, in der Mittellage warm timbrierte, in den Höhen hell strahlende Sopran von Elisabeth Schnippe optimal entfalten. Daneben beeindruckte die Sopranistin in zwei Monteverdi-Kompositionen aber auch durch ihre barockkundige, modulationsfähige Stimme. Die Sängerin meisterte die figurativen und affektreichen Partien mit einem enormen Ausdruckssprektrum. Und ob innige Versenkung (Max Reger) oder lyrische Kantabilität (Widor, Fauré) - alles fließt bei ihr mit großer Natürlichkeit.
Durchlichtete, elegante Feierlichkeit verlieh derweil Rainer Schnippe einem Magnifikat für Orgel von Jean Francois Dandrieu, durchzogen mit farblicher Kontrastzeichnung und bewegter Motorik. Karg-Elerts Kathedralfenster gereichen ihm zu mystischer Klangentfaltung, die »Versetten« von Marcel Dupre schließlich erweisen sich auch als willkommener Anlass, in wilden Akkordkaskaden das weite Klangspektrum der Speith-Orgel auszuloten.

Artikel vom 04.11.2005