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Reformation, nicht Halloween ist angesagt

Die evangelische Synode von Westfalen wendet sich dem Handeln auf Gottes Erde zu

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Auf den Tischen der 188 Synodalen in Bielefeld-Bethel lagen wohlschmeckende Luther-»Bonbons«, von der Kanzel dagegen gab es Süß-saures.

»Wider die Gottvergessenheit« - keinen Halbsatz streute Präses Alfred Buß am Montag häufiger ein in seinen umfänglichen Bericht zum Auftakt der 15. Westfälischen Landessynode.
So wie Landesbischöfin Margot Käßmann am Reformationstag mit Luther-»Bonbons« gegen das »amerikanische Geisterfest Halloween« in der City von Hannover zu Felde zog, so erinnerte auch Buß an die evangelische Verantwortung nach Martin Luthers Thesenanschlag vor 488 Jahren. Der neue Ruf nach Werten und Werteorientierung geht dem Präses nicht weit genug. Buß: »Ich habe große Zweifel, ob durch das Postulieren von Werten die Orientierungskrise in unserer Gesellschaft bewältigt werden kann.« Das Problem stelle sich mit der Praxis, so Buß: »Wer bei den Werten seine Interpretation durchsetzen kann, der klärt gleichzeitig eine Machtfrage«.
Es stehe der evangelischen Kirche gut an, in der aktuellen Debatte gegen den Stachel zu löcken. Statt in den Wertehimmel zu starren, will Buß sich »dem Leben und Handeln auf Gottes Erde« zuwenden. So wie sich in der Sozialpolitik das Interesse von den fehlenden Arbeitsplätzen weg und auf die Arbeitslosen selbst zubewegt, so will er nicht zulassen, dass sich der Staat aus der Verantwortung schleicht. Es brauche ein starkes Gemeinwesen und gefüllte öffentliche Kassen, damit der Sozialstaat den sozialen Frieden sichern könne, sagte Buß.
Regulierung statt Deregulierung, so soll die Devise weltweit wie lokal heißen. Nicht die viel gepriesenen selbst regulierenden Kräfte, sondern Rathaus, Kirche, Wohnhäuser und Schule gäben einem Marktplatz den Rahmen, erinnert Buß. Das Gegenbild dazu gäbe es in den »wild wuchernden Kauf- und Konsumzentren entlang den Einfahrtschneisen unserer Städte«.
»Wer über Werte spricht, kommt an Fragen der Erziehung nicht vorbei«, sagte NRW-Schulministerin Barbara Sommer. Als klare Ziele in der Schulpolitik der neuen Regierung nannte Sommer die Förderung länderübergreifender Leistungsstandards, zentrale Abschlussprüfungen und verbindlichere Grundschulgutachten. Sie versprach die frühzeitige individuelle Talentförderung verbunden mit einer schrittweisen Absenkung des Einschulungsalters sowie der flächendeckenden Einführung von Englischunterricht von der ersten Klasse an.
Auch die Ministerin plädierte für mehr soziale Gerechtigkeit. Es sei moralisch nicht zu verantworten, dass der soziale Status der Eltern so viel Einfluss auf die Bildungskarrieren der Kinder habe. Kräftigen Beifall erhielt die Vertreterin der neuen schwarz-gelben Landesregierung für die zurückgenommene Kürzung der Privatschulfinanzierung sowie für die Stärkung des Religionsunterrichts. Präses Buß: »Die neue Landesregierung hat sich in den ersten Monaten uns gegenüber als verlässlich erwiesen.«

Artikel vom 01.11.2005