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Setzte sich durch: Andrea Nahles (35).

Müntefering wirft hin

SPD-Parteichef im Präsidium unterlegen - Verwirrung um Stoiber

Berlin (Reuters). SPD-Chef Franz Müntefering hat nach seiner Abstimmungsniederlage im Streit um den Generalsekretärs-Posten am Montag völlig überraschend seinen Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt.

Damit gerät die SPD zu Beginn der heißen Phase der Koalitionsverhandlungen mit der Union in eine tiefe Krise. Er werde die Verhandlungen noch zu Ende führen, auf dem Parteitag Mitte November aber nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren, sagte der 65-Jährige. Er ließ zudem ausdrücklich offen, ob er wie geplant als Arbeitsminister und Vizekanzler in eine Bundesregierung unter der künftigen Kanzlerin Angela Merkel eintreten wird.
Union und SPD streben allerdings unverändert eine große Koalition an. Das betonten Müntefering und die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag nach dem vierten Treffen in der großen Koalitionsrunde. Müntefering hoffe, die Vereinbarung mit der Union über die große Koalition Mitte November als »Krönung meiner Arbeit« als Parteichef zu unterzeichnen. Merkel sagte: »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«
Nach dem angekündigten Rückzug Münteferings denkt CSU-Chef Edmund Stoiber nach eigenen Worten darüber nach, nicht nach Berlin in das Kabinett einer großen Koalition zu wechseln. »Das ist für mich und uns eine veränderte Lage«, sagte Stoiber am Montagabend. Müntefering sei ein Eckpfeiler der großen Koalition, und dieser Eckpfeiler sei verändert. Stoiber will über die Frage des Wechsels an diesem Dienstag mit dem CSU-Präsidium beraten.
Unmittelbar vor der Ankündigung des SPD-Chefs hatte der Parteivorstand gegen Münteferings ausdrücklichen Willen die Parteilinke Andrea Nahles als Kandidatin für den Posten der Generalsekretärin nominiert. Sie setzte sich mit 23 gegen 14 Stimmen überraschend deutlich gegen Münteferings Wunschkandidaten Kajo Wasserhövel durch.
In einer Präsidiumssitzung am Mittwoch soll nun über Münteferings Nachfolge beraten werden. Im Gespräch sind die Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Matthias Platzeck (Brandenburg).
»Unter den gegebenen Bedingungen kann ich nicht mehr Parteivorsitzender sein. Dazu war das Votum dann doch zu eindeutig und zu klar«, sagte Müntefering. Nach dem Votum für Nahles habe er die Vorstandssitzung unterbrochen und in einer anschließenden Präsidiumssitzung klargemacht, dass er nicht erneut für den SPD-Vorsitz kandidieren werde.
Eigentlich habe er geplant gehabt, die Partei in den nächsten vier bis fünf Jahren zu verjüngen. »Das geht nun ein bisschen schneller«, sagte Müntefering mit Blick auf die 35-jährige Nahles. »Es wird sehr darauf ankommen, dass wir lernen aus diesem Vorgang.« Seite 4: Hintergrund/Leitartikel
Seite 2: Koalitionsgespräche

Artikel vom 01.11.2005