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Athen ohne die weißen
Rosen und Akropolis

Petros Markaris schreibt über die »Wirklichkeit«

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Petros Markaris mag es nicht, am Schreibtisch zu sitzen und sich Charaktere einfallen zu lassen. Er muss Menschen kennen, deren Eigenschaften sich in seinen Romangestalten widerspiegeln.

So sei es ihm bei seinem Kommissar Kostas Charitos ergangen. Markaris, der sein neuestes Buch »Balkan Blues« in der Stadtteilbibliothek Dornberg im Rahmen der Bielefelder Literaturtage präsentierte: »Eines Tages stand ein Mann mit seiner Frau und seiner Tochter vor mir, der sich nicht abwimmeln ließ. Er war eigensinnig, draufgängerisch und stur - so lang, bis ich mich für sein Anliegen interessiert habe.« Diese Mann, natürlich ein Athener, war das Vorbild für den Kommissar, der bislang Held in drei Romanen (»Hellas Channel«, »Nachtfalter« und »Live!«) ist und auch in »Balkan Blues« in einer der Geschichten zum Einsatz kommt.
Petros Markaris arbeitet bereits an einem neuen Charitos-Roman und sagt anschließend noch eine weitere Folge zu. Aber dann sei Schluss. Erst einmal. Zumindest mit dem Kommissar, der den Leser mit einem Athen vertraut macht, in dem es keine weißen Rosen gibt und auch die Akropolis keine Rolle spielt. Dafür aber endlose Verkehrsstaus und stinkende Müllberge. Für Petros Markaris ist der Krimi eine Möglichkeit, »über soziale Realitäten, über Spannungen in der Gesellschaft von heute« zu schreiben. Dabei lässt er seine Protagonisten durchaus in Vorurteilen schwelgen. »Ich möchte die Realität nicht der 'political correctness' opfern,« sagt er. Außerdem wären die Charaktere nicht spannend, dürfen sie nicht so sein »wie die Menschen nun einmal sind«. Petros Charitos beschreibt das so: »Irgendwie ist es doch besonders köstlich, unhygienisch zu essen - mit den Fingern zum Beispiel.« Eben wie es sein Kommissar auch liebt: Ist Ehefrau Adriani nämlich ausnahmsweise verreist, dann schert der sich nicht um ihr Vorgekochtes, sondern isst Souflaki aus der Tüte. Außerdem hat er ein besonderes Hobby: Er liest leidenschaftlich gern Wörterbücher.
Seine neun Geschichten in »Balkan Blues« seien als Auftragsarbeit entstanden, erzählt der Schriftsteller. Eigentlich habe er während der Olympiade in Athen fünf Folgen einer Novelle schreiben sollen, aber: »Dafür waren die Olympischen Spiele zu kurz - da habe ich zusätzlich noch die Fußballeuropameisterschaft zur Hilfe genommen.«

Artikel vom 03.11.2005