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Indien: 60 000 Polizisten
suchen die Terroristen

Mindestens 61 Tote nach Anschlagserie in Neu Dehli

Neu Delhi (dpa). Nach der blutigsten Anschlagsserie in der Geschichte der indischen Hauptstadt Neu Delhi läuft die Suche nach den Hintermännern auf Hochtouren. 60 000 Polizisten seien im Einsatz, sagte gestern der Sprecher der Polizei in Delhi, Ravi Pawar.
Bei den drei Bombenexplosionen vor einem bedeutenden Hindu-Fest waren am Samstag mindestens 61 Menschen getötet und 188 weitere verletzt worden. Die Nachrichtenagentur PTI meldete, mehr als 20 Menschen seien festgenommen und befragt worden. Premierminister Manmohan Singh sprach von »heimtückischen Terrorakten« gegen das indische Volk. Die Anschläge wurden weltweit verurteilt.
Trotz der Anschläge einigten sich Indien und Pakistan auf die teilweise Öffnung der de-facto-Grenze in Kaschmir. Damit soll die Hilfe für die Opfer des verheerenden Erdbebens vom 8. Oktober erleichtert werden. An fünf Punkten sollen sich Kaschmirer von beiden Seiten vom 7. November an treffen und zu Fuß Hilfsgüter auf die andere Seite bringen können.
Gestern bekannte sich eine bislang unbekannte muslimische Gruppe namens Inquilab (Revolution) in Anrufen bei Medien in Kaschmir zu den Anschlägen in Neu Delhi. Ein Sprecher der Gruppe forderte einen Abzug der indischen Truppen aus Kaschmir.
Die »Hindustan Times« berichtete unter Berufung auf Geheimdienste, für die Anschläge sei eine nicht näher benannte Extremistengruppe aus dem pakistanischen Teil Kaschmirs verantwortlich. In Spekulationen in indischen Medien richtete sich der Verdacht auf Laskar-e-Toiba. Die Gruppe operiert angeblich aus Pakistan heraus und wird von Indien für den Anschlag auf das Parlament in Neu Delhi Ende 2001 verantwortlich gemacht, der fast zum Krieg mit Pakistan geführt hätte. Innenminister Shivraj Patil betonte am Samstag, für Mutmaßungen über die Hintermänner der Anschläge sei es zu früh.
Zwei Bomben waren am Samstagabend auf belebten Märkten in den Stadtvierteln Paharganj und Sarojini Nagar explodiert. Paharganj ist besonders unter ausländischen Rucksackreisenden beliebt. Ein dritter Sprengsatz war in einem Bus platziert. Die Bomben detonierten innerhalb von 20 Minuten. An den Anschlagsorten brach Chaos und Panik aus. Viele Geschäfte brannten.
Unter den Opfern sind Kinder und auch Ausländer. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes in Berlin sind keine Deutschen betroffen. Nach den Anschlägen wurden die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land verschärft.
Die pakistanische Regierung verurteile die Anschlagserie noch am Samstagabend. Sie sei »ein krimineller Akt des Terrorismus«. Die Regierung und das pakistanische Volk seien schockiert. UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich »entsetzt« über die terroristische Gewalttat. Bundesaußenminister Joschka Fischer reagierte mit Bestürzung auf die Bombenanschläge. »Diese Akte wahlloser und menschenverachtender Gewalt sind durch nichts zu rechtfertigen.«

Artikel vom 31.10.2005