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Eine Begegnung mit dem Fremden

Axel Grünewalds Fotos in der Capella hospitalis - »Cyminology« jazzt


Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Unter exquisiter Begleitung wird an diesem Samstag, 19 Uhr, eine ungewöhnliche Ausstellung in der Capella hospitalis eröffnet: In dem architektonischen Schmuckstück an der Teutoburger Straße, einer ersten Adresse für die Kunst, zeigt Axel Grünewald Fotografien zum Thema »Begegnung mit dem Fremden«.
Selten wohl hat eine Schau besser in diese Räume gepasst, in der so oft Menschen aus der Fremde ihre Geschichten erzählt haben. Der in Herford geborene und in Bielefeld wirkende Fotografiekünstler präsentiert bis Weihnachten drei großformatige und drei kleine Bilder aus seinem 60 Werke umfassenden Zyklus »ojana lok« - der bengalische Ausdruck heißt soviel wie »fremder Mensch«.
Die Arbeiten des heute 51-jährigen Grünewald entstanden Anfang der Neunzigerjahre während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Indien. Er filmte in Doppel-8 und übertrug einzelne Bilder (»Film Stills«) in extremer Vergrößerung auf Aluminium. Das so entstehende Negativ-Motiv und die durch Vorbelichtung erzielten weichen Übergänge bedeuten einen doppelten Verfremdungseffekt - was dargestellt wird, erschließt sich dem Betrachter nicht zwingend.
Ein Opferstock für Kali, Kalkuttas vielköpfige Göttin, zwei Ziegenköpfe (Opfergaben), Straßenszenen, eine Leichenverbrennung und ein Schmerzritual sind in der Capella zu sehen. »Die Bilder spiegeln meine Distanz zum Geschehen - als Künstler wie als kulturell der indischen Spiritualität ferner Europäer«, sagt Grünewald. So »befremdet« das Motiv und »entfremdet« sich seine Bearbeitung dem Betrachter.
Die Künstlerin Elisabeth Masé, die vor gut zwei Jahren die innere Anmutung der Capella in einer Sinfonie der Farben und Lichteffekte das »Innenleben« der Capella hospitalis gestaltete und nun, zusammen mit Barbara von Tschirnhaus und weiteren Kulturfreunden das Bilder-, Musik- und Literaturprogramm erarbeitet, sagt über Grünewald: »Er klagt niemals an, er ergreift nicht Partei - er beobachtet und staunt. In fast zärtlich zu nennender Gleichgültigkeit erzählt er Geschichten, die man träumerisch weiterspinnen kann.«
l Die Ausstellung ist dienstags bis samstags, jeweils von 15 bis 18 Uhr, geöffnet. Georg Liubl wird zur Eröffnung Texte aus Goethes »West-östlichem Divan« lesen. »Außerdem habe ich mir Gedichte aus Indien und Persien ausgesucht«, sagt der freie Schauspieler. In welcher Form Liubls Vortrag erfolgen wird, entscheidet sich im Dialog mit der Berliner Jazz-Formation »Cyminology«, benannt nach der iranischstämmigen Sängerin Cymin Samawatie. Die Band, deren Drummer Ketan Bhatti in Bielefeld aufwuchs, spielt erstmals am Teuto. Das Quartett macht seit gut drei Jahren (in wechselnder Besetzung) Furore bei großen Festivals und Tourneen; auf ihrer CD »per se« - ihrer ersten! -Ê kombinieren die Musiker traditionelle persische Gedichte aus dem 13. Jahrhundert (»Hafiz«) mit modernem Jazz, aber auch Hip-Hop- und Blues-Einflüsse und sogar rockige Elemente werden hörbar.

Artikel vom 29.10.2005