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Steinbrück:
Haushaltslage
ist dramatisch

Unpopuläre Maßnahmen angekündigt

Berlin (Reuters). Wegen der angespannten Finanzlage des Bundes hat der designierte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück unpopuläre Entscheidungen angekündigt.

»Die Haushaltslage ist hochproblematisch, man darf sie auch dramatisch nennen«, sagte der SPD-Politiker gegenüber dem Magazin »Focus«. »Es wird eine Reihe unangenehmer und unpopulärer Entscheidungen geben.«
Hessens Ministerpräsident Roland Koch bot der SPD mit Blick auf die Spitzenrunde zu den Koalitionsgesprächen heute Abend an, im Gegenzug zu einer Anhebung der Mehrwertsteuer den Satz für einzelne Güter zu senken.
Zugleich verdichteten sich die Anzeichen, dass sich Union und SPD auf eine Erhöhung der wichtigsten Verbrauchssteuer einigen werden. SPD-Chef Franz Müntefering betonte jedoch, der Bundeshaushalt müsse möglichst ohne Steueranhebungen saniert werden.
Steinbrück sagte, er gehe nicht davon aus, dass das nötige Einsparvolumen von 35 Milliarden Euro allein durch das Streichen von Vergünstigungen zusammenkommen werde. Die künftige Koalition aus Union und SPD sei gut beraten, »alle gesellschaftlichen Gruppen gleichmäßig und ihrer Leistungsfähigkeit nach« zu be- oder entlasten. Spielraum für Steuersenkungen gebe es nicht.
Steinbrück rechnet nach eigenen Worten damit, dass die Union in den Verhandlungen die Mehrwertsteuererhöhung in die Debatte einbringen wird. Die »Süddeutsche Zeitung« berichtete, Steinbrück wolle vorschlagen, die Lücke im Haushalt je zur Hälfte durch zusätzliche Steuern und Kürzung von Ausgaben zu schließen. CSU-Chef Edmund Stoiber will nach einem »Spiegel«-Bericht als Alternative zu einem harten Konsolidierungskurs in der Runde für einen »Dreiklang aus Sparen, Reformieren und Investieren« werben. Die Forderungsliste des designierten Bundeswirtschaftsministers enthalte ein Gründerprogramm für Jungunternehmer, einen Bürokratie-TÜV, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für die Industrie und eine »Unternehmensteuerreform aus einem Guss« spätestens von 2008 an.
Die in den Koalitionsgesprächen ins Auge gefasste Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre will die SPD mit einem Beschäftigungsprogramm für ältere Arbeitslose flankieren. Damit sollen Stellen für über 55-Jährige geschaffen werden. Müntefering kündigte »Maßnahmen für Menschen ab 55, um sie wieder in Arbeit zu bringen« an. »Wer einen älteren Arbeitslosen einstellt und nur niedrige Löhne zahlen kann, kann einen begrenzten Lohnkostenzuschuss erhalten.« Müntefering sprach sich dafür aus, die zum Jahresende auslaufende Förderung so genannter Ich-AG zu verlängern.
Bei der Atomenergie treiben Union und SPD auf eine direkte Konfrontation zu. Müntefering lehnte gestern noch einmal die von Union und Energiewirtschaft geforderten längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke ab.

Artikel vom 31.10.2005