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CIA-Skandal bringt Bush
weiter in Bedrängnis

Cheneys Stabschef Libby weist Vorwürfe zurück

Washington (dpa). Der im Skandal um die Enttarnung einer CIA-Agentin angeklagte bisherige Spitzenberater von US-Vizepräsident Richard Cheney, Lewis Libby, hat die Vorwürfe der Lüge gegen ihn entschieden zurückgewiesen.
Muss in den Zeugenstand: US-Vize Dick Cheney.
Er erwarte, dass er im anstehenden Prozess »völlig entlastet« werde, erklärte Libby, der nach der Anklageerhebung von seinem Posten als Cheneys Stabschef zurückgetreten war, in Washington. Präsident George W. Bush, der bereits zuvor in ein Umfragetief gerutscht war und durch den CIA-Skandal in zusätzliche Bedrängnis gebracht wurde, sagte unterdessen, er werde sich durch den Fall nicht von seiner Arbeit ablenken lassen.
Libby soll sich nach der Entscheidung einer so genannten Grand Jury (Anklagekammer) wegen Rechtsbehinderung, Meineids und Falschaussage verantworten. Ihm wird Lüge bei den Ermittlungen zur Klärung der Frage vorgeworfen, wie es zur Enttarnung der Agentin kam. Er habe nicht wissentlich die Unwahrheit gesagt, sondern nach seinem besten Erinnerungsvermögen gehandelt, verteidigte sich Libby.
Auch sein Anwalt Joseph Tate deutete an, dass er die beanstandeten Aussagen Libbys vor Gericht mit Gedächtnislücken erklären wird. Der Ex-Stabschef habe in hektischen Zeiten für die Regierung gearbeitet, und »als Juristen erfahren wir häufig, dass die Erinnerung von Menschen an Ereignisse nicht immer mit der Erinnerung anderer übereinstimmt, insbesondere, wenn sie Monate nach den Ereignissen aussagen müssen«, hieß es in einer Erklärung des Anwalts.
Nach der Anklage gegen seinen Stabschef muss US-Vizepräsident Dick Cheney wahrscheinlich im Zeugenstand Rede und Antwort stehen. Aus mit dem Fall vertrauten US-Anwaltskreisen verlautete am Freitagabend, Cheney und andere führende Vertreter des Präsidialamtes müssten damit rechnen, als Zeugen in dem Strafverfahren geladen zu werden.
Bei einer Verurteilung drohen Libby bis zu 30 Jahre Haft und eine Geldstrafe von 1,25 Millionen Dollar.
Libby hatte gleich drei Titel inne, was seinen Einfluss auf die US-Regierung unterstreicht: Stabschef sowie nationaler Sicherheitsberater des Vize-Präsidenten und Assistent des Präsidenten Bush. Er studierte an der Universität Yale. Später erwarb er an der Columbia University einen Abschluss in Jura und arbeitete als Anwalt.
Libby arbeitete schon für die Regierung von US-Präsident George Bush, dem Vater des heutigen Präsidenten, und zwar im Verteidigungsministerium. Während der Zeit von US-Präsident Ronald Reagan war er im Außenministerium tätig.
Libby gilt als eine der Schlüsselfiguren im Weißen Haus bei den Vorbereitungen des umstrittenen Krieges im Irak.
Der Top-Berater von US-Präsident George W. Bush, Karl Rove, wurde nicht angeklagt. Allerdings soll er nach Informationen aus Justizkreisen unter Beobachtung bleiben. Sonderermittler Patrick Fitzgerald erklärte, die Untersuchungen der Grand Jury gingen weiter. Details wollte er jedoch nicht nennen.
Bush würdigte die Verdienste Libbys als Spitzenberater und sprach zugleich von einem »ernsten juristischen Verfahren« gegen den Ex-Stabschef. Weiter betonte er, dass sich an seiner Amtsführung nichts ändern werde. Er und seine Mitarbeiter im Weißen Haus hätten eine Aufgabe zu erfüllen, erklärte Bush vor seinem Abflug zum Wochenendsitz Camp David. »Wir haben die Aufgabe, das amerikanische Volk zu schützen, und daran werden wir weiter hart arbeiten.«
Unterdessen kritisierten auch Vertreter von Bushs eigener republikanischer Partei, das Weiße Haus habe den Enttarnungsskandal falsch »gehandhabt«. Es hätte selbst mehr zur Aufklärung der Hintergründe tun müssen, sagte beispielsweise der Abgeordnete Thomas Davis. Sein Kollege Christopher Shays forderte Bush auf, Libbys Verhalten schärfer zu verurteilen.
In diesem Zusammenhang erinnerte er den Präsidenten daran, dass dieser im Wahlkampf 2000 mit dem Versprechen angetreten sei, nach dem Lewinsky-Skandal um Bill Clinton Integrität ins Weiße Haus zurückzubringen. Vertreter der demokratischen Opposition hatten die Anklageerhebung am Freitag als Beweis für »Korruption auf den höchsten Ebenen« gewertet.
Bei dem Skandal geht es im Kern um die Frage, ob die US-Regierung Geheimdienstinformationen zur Rechtfertigung des Irak-Krieges aufgebauscht hat. Diesen Vorwurf hatte der Ehemann der enttarnten CIA-Agentin, Exbotschafter Joseph Wilson, im Juli 2003 erhoben. Er bezog sich dabei auf eine Passage in Bushs vorausgegangener Rede zur Lage der Nation, derzufolge der damalige irakische Präsident Saddam Hussein versucht habe, bedeutsame Mengen an Uran in Afrika zu erwerben. Wenig später tauchte der Name der CIA-Agentin, Valerie Plame, unter Berufung auf hochrangige Regierungsbeamte in mehreren US-Medien auf, was von vielen Analytikern und der Opposition als Rache an Wilson gewertet wurde.

Artikel vom 31.10.2005