31.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Anrührendes Werk
der Versöhnung«

60 000 Menschen verfolgen Weihe der Frauenkirche

Dresden (dpa). Mit der Weihe der wiederaufgebauten Frauenkirche hat Dresden eine Botschaft für Frieden und Völkerverständigung in alle Welt gesandt. 60 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das aus den Trümmern errichtete Gotteshaus am Sonntag feierlich in den Dienst der evangelischen Kirche gestellt.
Glücklicher Gast: der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann.

Vor der Kirche verfolgten mehr als 60 000 Menschen die Feier auf großen Leinwänden. Unter großem Andrang öffnete das Gotteshaus nach der offiziellen Weihe für die ersten Besucher, die seit dem frühen Morgen auf diesen Augenblick gewartet hatten. An der Zeremonie nahmen zahlreiche Ehrengäste teil, darunter Bundespräsident Horst Köhler und die Botschafter der vier Siegermächte. Das englische Königshaus war durch den Herzog von Kent vertreten.
Im Inneren des Gotteshauses saßen unter den 1700 geladenen Gästen auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seine designierte Nachfolgerin Angela Merkel (CDU). Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl bezeichnete den Wiederaufbau als »Werk der Versöhnung und Mahnung zum Frieden«. Im Kuppelkreuz - einem Geschenk aus England - könne jeder ein großes, anrührendes Werk der Versöhnung sehen. »Auch eine tiefe, lange Zeit blutende Wunde kann geheilt werden. Aus Feindschaft kann eine versöhnte Gemeinschaft erwachsen, die Frieden möglich macht.«
Bundespräsident Köhler würdigte den Wiederaufbau als gesamtdeutsche Leistung. »Was hier in Dresden erreicht wurde, sollte Deutschland insgesamt Mut machen«, sagte er in seiner Festrede. Die Kirche sei auch ein »Signal, dass nie wieder Krieg sein darf«. Köhler erinnerte an den Schriftsteller Gerhart Hauptmann, der 1945 gesagt hatte: »Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens.« 60 Jahre später könne man hinzufügen: »Wer die Zuversicht verloren hat, der gewinnt sie wieder beim Anblick der wiedererstandenen Frauenkirche.«
Die zwischen 1726 und 1743 erbaute Kirche war nach Bombenangriffen britischer und amerikanischer Flugzeuge im Februar 1945 eingestürzt. Der Wiederaufbau begann 1994, 600 000 Spender aus aller Welt gaben mehr als 100 Millionen Euro für das Vorhaben. Insgesamt kostete es 179,7 Millionen Euro.
Ehrengäste äußerten sich sichtlich bewegt. »Ich bin überwältigt von der Schönheit des Bauwerkes«, sagte der Herzog von Kent. Kurz nach 14 Uhr durften Normalbürger ins Innere. Als erster durchquerte ein Rollstuhlfahrer die Tür.

Artikel vom 31.10.2005