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Thomas Kempis

»Es ist leichter,
ganz zu schweigen, als sich im Reden
zu mäßigen.«

Leitartikel
Finsteres aus Teheran

Weichspüler
nutzen
niemandem


Von Rolf Dressler
»Vernichten«, »auslöschen«, »liquidieren«, Volk und Staat Israel »von der Landkarte tilgen«.
Es dauerte nur Stunden, bis die ersten westlich-demokratischen Politiker wie zum Hohn auf die kaum noch zu überbietenden Ausfälle des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad schon wieder die halsbrecherische Kurve des Abwiegelns und Beschwichtigens nahmen. Ganz vorn dabei der Frühstarter Gernot Erler von der SPD.
Der Außenpolitik-Fachmann und Vizechef seiner Bundestagsfraktion hält es - man denke! - immerhin »für vorstellbar«, dass dieses Thema, wann auch immer, »vor den UN-Sicherheitsrat kommt, wo es irgendwo ja hingehört...« Jedenfalls solle die Führung in Teheran doch bitte, bitte, bitteschön wenigstens auch fortan »ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft« an den Tag legen.
Das genau ist sie wieder, die sattsam bekannte Floskelsprache der vereinigten Weichspüler. Bloß niemandem zu nahe treten, immer schön diplomatisch bleiben, nur nichts kaputtreden. Außerdem - und wer hätte dies nicht im Hin- terkopf: »Wir« sind doch nun mal auf Gedeih und Verderb vom Erd- öl abhängig und von dem des Iran in ganz besonderer Weise.
Blässliche »Du, du, du!«-Mahnungen an die Adresse Teherans im Stile eines Gernot Erler verpuffen indes nicht nur, sie befeuern geradezu die Regime und Volksmassen in der islamischen Staatenwelt.
Denn sie bestärken sie in jenem unbändigen Hass, der sich auch jetzt wieder in den Hetztiraden »Tod den Juden!«, »Tod den Amerikanern!« und »Verderben allen Ungläubigen!« entlädt. Leicht vorstellbar, wieviel klammheimliche Freude die entsetzlichen Wutausbrüche des iranischen Präsidenten bei abermillionen heimlichen oder offenen Antisemiten rings um den Erball wachrufen.
Erfreulicherweise spricht einzig die deutsche Grünen-Vorsitzende Claudia Roth Klartext. Sie stuft die entlarvende Brandrede Ahmadinedschads als das ein, was sie ist: als »brandgefährlich«. Denn dieser Brandstifter mag zwar noch unerfahren sein auf dem Parkett der Diplomatie, gleichwohl aber weiß er, was er mit Berechnung sagt.
Und vor allem: Er meint es auch genauso. Darin stimmen ausgewiesene Kenner der arabischen wie der gesamt-islamischen Welt zum Beispiel mit Udo Steinbach, dem Leiter des Hamburger Orient-Instituts, überein.
Nach den infamen Vorstellungen des iranischen Präsidenten sollen palästinensische »heilige« Terror-Krieger Land und Volk Israel zunächst von innen waidwund bomben. Und zumindest für die eiskalte Drohung mit dem endgültigen Vernichtungsschlag würde Ahmadinedschad wohl nur zu gern Atomwaffen zur Hand nehmen.
Wo aber in den islamisch bestimmten Ländern rühren sich wenigstens einige gewichtige Stimmen gegen ein derart grauenhaftes Denken und Trachten?
Der Weg zu einer aufgeklärten Welt-Völker- und Wertegemeinschaft ist lang und dornenreich.

Artikel vom 29.10.2005