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Von der Kanzel ins Büro

Theologen auf Stellensuche - Evangelische Kirche spart Pfarrer ein

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). In Deutschland wird es in Zukunft erheblich weniger evangelische Pfarrer geben. Der Deutsche Pfarrverband schätzt, dass in den meisten der 23 Landeskirchen die Zahl der Pfarrstellen um 25 Prozent gekürzt wird. Immer mehr Pfarrer wechselten in andere Berufe.

Die Sozialkompetenz der Pfarrer werde vor allem in den Personalabteilungen großer Unternehmen geschätzt, sagte der Vorsitzende des Pfarrverbandes, Klaus Weber, dieser Zeitung. Die Zahl der Berufswechsel sei in den vergangenen Jahren gestiegen.
Pfarrer gingen zudem häufiger ins Ausland. Die meisten freien Pfarrstellen gebe es in der Schweiz und den Niederlanden, sagte Gerhard Lohmann aus Gütersloh, zweiter Vorsitzender des Westfälischen Pfarrvereins. Und nach Österreich wird am 15. November Pastor Andreas Hankemeier (36) aus dem lippischen Schlangen wechseln. Er hatte in Deutschland trotz zahlreicher Bewerbungen keine Pfarrstelle gefunden.
Auch die Evangelische in Deutschland (EKD) geht davon aus, dass die Zahl der Pfarrer abnehmen wird. EKD-Sprecher Hans-Christoph Vetter: »Da die Zahl der Kirchenmitglieder weiter zurück geht und die Kirchensteuereinnahmen sinken, werden weiter Pfarrstellen gestrichen.« Derzeit gibt es in der evangelischen Kirche 23 000 Theologen im aktiven Dienst. Davon haben 19 300 eine Planstelle, allein 15 180 Pfarrer sind in Gemeinden tätig.
In Bayern sollen zum Beispiel 15,5 Prozent der evangelischen Pfarrstellen bis zum Jahr 2012 abgebaut werden sollen, in Hannover, der größten Landeskirche, 20 Prozent bis zum Jahre 2020. Die Westfälische Landeskirche schätzt gar, dass es im Jahr 2030 von ihren 1550 Pfarrstellen noch 700 gibt. In Westfalen wird derzeit nur noch jedem zweiten Theologen mit abgeschlossenem Examen ein Vikariatsplatz angeboten. Die 20 Neueinstellungen erfolgen vor allem, um eine Überalterung der Pfarrerschaft zu vermeiden.
In Westfalen soll zudem die Neubesetzung von Pfarrstellen auf acht Jahre befristet werden. Über einen entsprechenden Vorschlag berate in der nächsten Woche die Landessynode, sagte Kirchensprecher Andreas Duderstedt. Nach acht Jahren werde Bilanz gezogen. Entweder erfolge eine Wiederwahl oder der Rat zum Stellenwechsel. Wer nach sechs Monaten keine neue Pfarrstelle gefunden habe, werde in den Wartestand versetzt. Duderstedt: »Ein Wechsel bedeutet auch, neuen Herausforderungen zu begegnen.«
Bei einer Befristung der Stellenbesetzung würden den Kirchengemeinden größere Freiheiten eingeräumt, sagte Pfarrer Lohmann. Unliebsamen Pfarrern könne dann schneller der Laufpass gegeben werden. Derzeit gibt es in Westfalen bereits 100 Pfarrer im Wartestand. Die Evangelische Kirche im Rheinland gibt die Zahl der Pfarrer in Wartestand und Freistellung mit 377 an. Vor zehn Jahren waren es nur 149. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 29.10.2005