28.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Botho Tangermann wusste viel zu erzählen, auch über sein Engagement für die »Lebenshilfe«.

»Lebenshilfe« auch ein
wirtschaftlicher Faktor

Botho Tangermann über sein Engagement

Brackwede (ho). Seinen Rentenbescheid bekommt er vom Rentenrechenzentrum in Leipzig, eben aus jenem Haus, an dessen Bau er mitgewirkt hat. Botho Tangermann (80), Hochbauingenieur im Ruhestand, berichtete im Brackweder Erzählcafe über sein aktives abwechslungsreiches Leben und den dann folgenden »Unruhestand«.

Geboren als Sohn eines Försters in Ostpreußen, aufgewachsen und zur Schule gegangen in Mitteldeutschland, kam Botho Tangermann nach Kriegsende zur Großmutter nach Dissen. »Kein Traumberuf, sondern eine rationale Entscheidung« sei für ihn die Maurerlehre gewesen, erinnerte Tangermann an die Stunde Null. »0,78 Reichspfennig Stundenlohn reichten beim besten Willen nicht zum Leben, für Überstunden und zusätzliche Arbeiten waren wir uns nicht zu schade«. Schmunzelnd erinnerte Tangermann an den Brikettklau, viele Zuhörer hatten Ähnliches erlebt.
»Briketts» dienten nicht nur zum Heizen, sie waren damals auch ein wichtiges Zahlungsmittel«. Beim Kino-Besuch etwa habe man nicht nur den Eintritt entrichten, sondern zusätzlich ein Brikett abgeben müssen. 1951 begann Tangermann mit dem Studium des Ingenieurwesens, fand danach zunächst eine Anstellung in einem Architekturbüro und einer Baufirma, wechselte schließlich zur Oberpostdirektion Münster mit Standort in Bielefeld. »Da war ich dann verantwortlich für den Bau von Fernmeldeämtern, Türmen und allen möglichen Postbauten. »Im Rückblick bin ich stolz darauf, an etwas mitgewirkt zu haben, was auch für die Zukunft Bestand hat«.
Als sein Sohn Anfang der 60er Jahre behindert zur Welt kam, engagierte sich Botho Tangermann in dem damals noch kleinen Verein »Lebenshilfe für geistig Behinderte«, »der« - so Tangermann - »im Laufe der Jahre im Schatten des großen Leuchturms Bethel gediehen ist«. Der von Eltern gegründete Ortsverein Bielefeld habe nicht gewollt, dass ihre Kinder nur in einem Anstaltsbereich gefördert wurden.
Der heute 80-Jährige erlebte »die unwahrscheinliche Entwicklung der Lebenshilfe« hautnah mit, brachte seine beruflichen Erfahrungen in verschiedenen Funktionen, unter anderem war er auch Vorsitzender der Lebenshilfe, mit ein, vertrat die Interessen auf Landes- und Bundesebene und ist immer noch gefragter Ansprechpartner.
Die »Lebenshilfe« mit ihren diversen Einrichtungen biete heute nicht nur ein Angebot vom Kindergarten über Schule bis zur Werkstatt für Behinderte, sondern sei auch ein nennenswerter wirtschaftlicher Faktor in der Stadt. »Mehr als 900 Menschen mit Behinderungen nutzen die Angebote der Lebenshilfe, geben somit 300 qualifizierten Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz«.

Artikel vom 28.10.2005