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Prof. Dr. Diethelm Tschöpe leitet das NRW-Diabeteszentrum Oeynhausen.

Ärzte amputieren zu schnell

Diabetes: 14 000 Füße und Beine könnten jährlich erhalten werden

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Jedes Jahr verlieren in Deutschland 28 000 Diabetiker einen Fuß oder ein Bein. »Dabei ist die Hälfte dieser Amputationen mit entsprechendem Aufwand vermeidbar«, sagte Prof. Dr. Diethelm Tschöpe (56), Direktor des NRW-Diabeteszentrums Bad Oeynhausen, dieser Zeitung.

Zwischen acht und zehn Millionen Deutsche leiden an der Zuckerkrankheit, die zu Gefäßverschlüssen und Nervenschäden führen kann. »Deshalb spüren Diabetiker oft nicht, wenn sie eine Druckstelle oder eine kleine Verletzung unter dem Fuß haben«, erklärte Tschöpe. Aus einer kleinen, unversorgten Wunde könne innerhalb von Tagen eine schwere Infektion entstehen, die manchmal nicht mehr beherrschbar sei: »Dann muss der Fuß oder das Bein amputiert werden, um den Patienten zu retten.« Obwohl dieser drastische Eingriff oft vermeidbar sei, nähme die Zahl der Amputationen in Deutschland sogar zu, kritisierte der Mediziner, dessen Klinik am 2. November 40-jähriges Bestehen feiert.
Im Fall diabetischer Füße öffnen Gefäßchirurgen die verschlossenen Adern mit Kathetern oder legen Bypässe. Derzeit wird in Oeynhausen außerdem ein Stammzellenverfahren erprobt, das die Bildung neuer Blutgefäße anregen soll. Ist die Durchblutung wieder hergestellt, wird die Wunde versorgt, die bei Diabetikern oft nicht von selbst verheilt. Zum Schluss wird der Fuß kosmetisch korrigiert. »Es kann Monate dauern, bis wir einen solchen Patienten entlassen, aber wenn wir sein Bein gerettet haben, hat sich der Aufwand gelohnt«, sagte Prof. Tschöpe. Um die Versorgung offener Füße und Beine weiter zu verbessern, werde 2006 im Diabeteszentrum eine spezielle Wundheilungsabteilung eröffnet, die durch einen eigenen Eingang räumlich von den übrigen Einrichtungen getrennt sei: »Wir wollen dort eine möglichst keimfreie Atmosphäre erreichen.«
Diabetes sei heute kein Schicksalschlag mehr wie vor 40 Jahren, erklärte der Mediziner. Sei damals das Leben eines Patienten von Insulinspritzen und Diätplänen bestimmt gewesen, so könnten heute Therapien in den Alltag der Diabetiker integriert werden. »In fünf Jahren wird es zudem implantierbare Insulinpumpen geben, die permanent den Blutzuckerwert bestimmen und entsprechend Insulin abgeben«, sagte Prof. Dr. Diethelm Tschöpe.
Seite Ostwestfalen-Lippe

Artikel vom 28.10.2005